Herbst Newsletter 2022


Tag des Denkmals – Losensteinleiten

Seit dem Jahr 1998 findet alljährlich Ende September österreichweit der vom Bundesdenkmalamt ins Leben gerufene „Tag des Denkmals“ statt. 280 Denkmäler – Kirchen, Schlösser, historische Bauten, Bauernhöfe etc. – waren wieder zu besichtigen. Das diesjährige Motto lautete „Denkmal voraus: Denkmalschutz = Klimaschutz“. Erhalt und Pflege der Denkmäler haben dasselbe Ziel wie der Klimaschutz: den achtsamen Umgang mit Ressourcen. Viele unserer Mitglieder öffneten ihre Häuser, so auch der Schatzmeister unseres Vereines, Dr. Georg Graf Spiegelfeld-Schneeburg, der in sein Schloss Losensteinleiten in der Gemeinde Wolfern bei Steyr Einlass gewährte. Gemeinsam mit Matthias Aigner vom Landeskonservatorat Oberösterreich gab er anlässlich einer Führung spannende Einblicke in ein Schloss, das am Weg zur Energieautarkie ist.

Das ehemalige Wasserschloss Losensteinleiten ist eine große Anlage, die einen lang gestreckten Ehrenhof umschließt. Zwei zeltdachgedeckte, stark vorspringende Ecktürme begrenzen die Eingangsfront. Daran schließen zwei lange, hofseitig mit Erdgeschosslauben versehene, zweigeschossige Seitenflügel mit je einem eingeschriebenen Rundturm an, die schließlich in die ebenfalls lang gezogenen niedrigen und den Hof in Form eines gestelzten Halbkreises abschließenden Wirtschaftsgebäude münden.

Im 14. Jh. war das Anwesen ein „Gut an der Leiten“ und im darauffolgenden Jahrhundert schon ein „wohnliches Schloss“. Im 16. Jh. wurde es nach der Belagerung durch die Türken im Renaissancestil umgebaut und erweitert. Barocke Veränderungen erfolgten dann im zweiten Drittel des 18. Jahrhunderts; das alte Schloss wurde wegen Baufälligkeit abgebrochen.

Beinahe lückenlos war vom 14. Jh. bis zum Anfang des 18. Jh. das Geschlecht der Losensteiner Eigentümer, bis das Anwesen durch Heirat an die Herren von Auersperg überging. Im Zweiten Weltkrieg und auch danach kam es zu Devastierungen, die gesamte Inneneinrichtung verschwand in dieser Zeit. Mitte des 20. Jh. wurde das Schloss von der Familie Auersperg an den Orden der Kamillianer verkauft, der es auch restaurierte. In der Folge diente es schulischen Zwecken, um zuletzt als privates Pflegeheim genutzt zu werden. Nun sollen 17 Mietwohnungen und Nebenflächen entstehen.

Nördlich – und etwas abseits – des Schlosses befindet sich das Mausoleum der Fürsten Auersperg, das im Jahr 1911 seine heutige symmetrische, schlichte Form mit mittiger Kapelle und seitlich anschließenden Kreuzgängen erhielt. Es ist nach wie vor im Eigentum der Familie Auersperg.

Mit dem Erwerb von Schloss Losensteinleiten hat sich Georg Spiegelfeld gemeinsam mit seinem Sohn eines Projektes angenommen, das als erstes Schloss energieautarkes Leben innerhalb seiner Mauern zum Ziel hat. Unter dem Gesichtspunkt der Substanzerhaltung und moderner Energietechnik ist es der erklärte Wunsch, eine ausgeglichene Energiebilanz im Sinne einer Betriebskostenverminderung zu erreichen. Bei den Spezialführungen wurde auf diese Thematik besonders eingegangen.

Wir werden Sie in einem unserer nächsten Newsletter darüber informieren, wie sich dieses Vorhaben weiterentwickelt hat. Erstinformationen dazu entnehmen Sie bitte einem Artikel, der am 30.08.2022 in der Zeitschrift „Oberösterreicherin“ erschienen ist.

Link dazu: https://www.dieoberoesterreicherin.at/people/energieautark-wohnen-im-schloss-251309/

Folgende Schlösser, Stifte und historischen Gebäude unserer Mitglieder waren ebenfalls zu besichtigen:

Bernstein – Burg Bernstein ¦ Friesach – Haus Moravi ¦ Grades – Schloss Grades ¦ Göttweig – Stift Göttweig ¦ Hohenberg – Neuhauser Kunstmühle

Leogang – Bergbau- und Gotikmuseum ¦ Moosburg – Schloss und Hotel Moosburg ¦ Murau – Schloss Murau ¦ Neudau – Schloss Neudau ¦ Stubenberg am See – Burg Neuhaus



Fachdialog „Denkmalschutz = Klimaschutz“

Das Thema Gesamtenergieeffizienz-Richtlinie der Europäischen Union wird in den nächsten Monaten bzw. im nächsten Jahr auf nationaler Ebene relevant sein. Daher veranstaltete die Initiative.DENKmal.KULTUR Mitte September 2022 in Kooperation mit dem Bundesdenkmalamt einen Fachdialog. Dazu lud die Initiative.DENKmal.KULTUR alle Abgeordneten des Kulturausschusses, den Präsidenten des Bundesdenkmalamtes sowie den Präsidenten der European Historic Houses in die Räumlichkeiten der Restaurierwerkstätten des Bundesdenkmalamtes im Wiener Arsenal ein.

Auf europäischer Ebene werden derzeit u. a. mit einer Gesamtenergieeffizienz-Richtlinie die Weichen zur Klimaneutralität gestellt. Davon ausgehend braucht es allerdings auf allen legistischen Wegen entsprechende Bestimmungen, um das Potenzial der historischen Gebäude beim Klimaschutz zu nutzen und anzuerkennen. Mittlerweile gibt es für die Richtlinie einen Entwurf und die Abstimmung im Parlament steht im Herbst 2022 bevor. Seitens der Initiative.DENKmal.KULTUR wurde daher zu dieser Richtlinie eine Stellungnahme abgegeben, welche darauf hinweist, dass es bei der Berechnung der Gesamtenergieeffizienz unbedingt Ausnahmen bei historischen Gebäuden braucht, da historische Gebäude per se durch ihren Lebenszyklus einen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz leisten.

Der Sprecher der Initiative, Mag. Martin Böhm, begrüßte alle Teilnehmer und bedankte sich bei Präsident Dr. Christoph Bazil für dessen Gastfreundschaft. Er bedankte sich auch bei den Abgeordneten des Kulturausschusses Maria Großbauer, Laurenz Pöttinger und Julia Seidl dafür, dass sie ihre Zeit diesem wichtigen Thema widmen.

Dr. Bazil bekräftigte die Wichtigkeit der Energieeffizienz der Gebäude, betonte aber ausdrücklich, dass es dabei zu keiner Belastung der historischen Substanz kommen dürfe.

In seinen Grußworten machte Alfonso Pallavicini, Präsident der EHHA, deutlich, welche Bedeutung historische Gebäude und deren Bestände für die einzelnen Länder haben. Auch wenn sie lediglich zwei Prozent aller Bauten ausmachen, so ist dies doch eben jener Anteil, welcher in den ländlichen Räumen für den Tourismus und die Wertschöpfung wesentlich ist. Historische Bauten sorgen für Arbeitsplätze und geben den Regionen Identitäten. Dass historische Gebäude anders zu behandeln seien, wurde deutlich an seinem Vergleich „alter Häuser“ mit Oldtimern. Vor diesem Hintergrund müssen Anstrengungen unternommen werden, damit die entsprechende Richtlinie Ausnahmetatbestände für das baukulturelle Erbe schafft.

Burghauptmann Mag. Reinhold Sahl beleuchtete anhand praktischer Beispiele und seiner Erfahrungen, welches Potenzial in historischen Gebäuden steckt und welche CO2-Einsparungen aufgrund ihres langen Lebenszyklus erreicht werden.
Danach fand eine rege Diskussion zum nachhaltigen Wert historischer Gebäude statt.

Im Anschluss führte Fachdirektor Dr. Bernd Euler-Rolle exklusiv durch die Restaurierwerkstätten.



Gespräch mit Frau Dipl.-Ing. Eva Hody

Landeskonservatorin des Bundesdenkmalamtes Salzburg

Interview und Fotos: Anton Revertera BA MBA, Landesdelegat von Salzburg

VHGÖ: Wie viele Objekte stehen in Salzburg unter Denkmalschutz und wie ist die Aufteilung zwischen öffentlichen, kirchlichen und privaten Objekten?

E.H.: Salzburg ist – statistisch gesehen – eines der kleineren Bundesländer, was die Menge der Denkmäler angeht. Laut unserer Website stehen 2212 Objekte rechtskräftig unter Denkmalschutz. Es handelt sich um einen durchaus komplexen Denkmalbestand: Einerseits sind es Objekte mit hohem kulturhistorischen, künstlerischen und geschichtlichen Wert – hier denke ich unter anderem an das Kulturerbe der Erzbischöfe –, und andererseits hat Salzburg auch einen sehr interessanten ländlichen Bestand an Denkmalen.

Wenn Sie sagen „ländlicher Bestand“ – das hieße also Bauernhöfe, Mühlen etc.?

Genau: Bauernhöfe, Wirtschaftsgebäude, Flurdenkmale, mittelalterliche Festungs- und Verteidigungsanlagen, Schlösser und Ansitze, frühindustrielle Anlagen zum Salz- und Silberabbau, Mühlen etc. Der historisch wertvolle Baubestand der Salzburger Almen wurde noch nicht inventarisiert, aber da dürfte es auch einige potenzielle Denkmale geben. Die Sommerfrischevillen im Salzkammergut werden derzeit aufgearbeitet. Selbstverständlich darf man die sehr alten Kirchen und Pfarrhöfe nicht unerwähnt lassen, denn diese sind für die Kulturgeschichte Salzburgs von besonderer Bedeutung.

Höre ich da heraus, dass Sie den Unterschutzstellungsauftrag im Land Salzburg noch nicht als abgeschlossen ansehen?

Der Unterschutzstellungsauftrag ist wahrscheinlich in keinem Bundesland abgeschlossen. Leider kommen uns hin und wieder Denkmale abhanden, wenn sie etwa vernachlässigt werden oder wenn ein unerwartetes, zerstörendes Ereignis eintritt. Umgekehrt gibt es aber auch einen ständigen Zuwachs an potenziellen Denkmalen. Das können historische Objekte sein, die neu entdeckt werden oder aus einer neuen zeitlichen Sicht heraus neu zu bewerten sind. Außerdem wird nach wie vor gebaut, und auch aus diesem Gebäudebestand werden sich für die Zukunft zusätzliche Denkmale generieren.

Ist das etwas, das Sie systematisch betreiben, oder gehen Sie einfach mit offenen Augen und Ohren durch das Land? Wie kann man sich das Generieren neuer Objekte vorstellen?

Grundsätzlich gibt es in Wien eine zentrale Abteilung für Denkmalforschung. Diese Abteilung hat bisher sehr systematisch Kulturgut inventarisiert, bewertet und eingeteilt nach der Frage: Ist das Objekt ein potenzielles Denkmal oder vielleicht ein bereits zu stark verändertes Denkmal? Diese Inventur wird sehr systematisch bearbeitet und führt zu sogenannten Unterschutzstellungsverfahren. Darüber hinaus werden immer wieder potenzielle Denkmale entdeckt. Das kann durch das erwähnte Mit-offenen-Augen-durch-das-Land-Gehen sein, aber sehr oft gibt es auch Bürgerinnen und Bürger, die an das Bundesdenkmalamt herantreten und nachfragen, ob nicht dieses oder jenes Objekt hinsichtlich seiner Denkmaleigenschaften geprüft werden könnte.

Um vielleicht noch einmal auf Ihre Aussage zurückzukommen, Salzburg sei eines der „kleinen“ Bundesländer, was die Denkmaldichte angeht: Was wären denn in Österreich die diesbezüglich „großen“ Bundesländer?

Über den größten Denkmalbestand verfügen Niederösterreich, die Steiermark und Oberösterreich. Wien hat einen ungemein dichten Denkmalbestand – die sehr großen, geschichtsträchtigen Denkmale aus der Monarchie verfügen über eine herausragende künstlerische Bedeutung. Die Wohnhausanlagen des „roten“ Wiens oder die Baulichkeiten der historischen U-Bahnlinien sind zum Beispiel sehr große Denkmale. Wien ist tatsächlich etwas anders: Die Dichte ist sehr hoch, dazu gibt es zwei Weltkulturerbestätten. Im Land Salzburg gibt es eine: das historische Zentrum der Stadt Salzburg.

Wenn man diskutiert, warum Salzburg so ein denkmalpflegerisch kleines Bundesland ist, kommt immer wieder die Antwort, dass das auch mit der fürsterzbischöflichen Vergangenheit des Landes zu tun hat. Ist das wirklich so oder gibt es dafür noch andere Gründe?

Salzburg zählt zu den kleineren Bundesländern, entsprechend ist die Zahl der Denkmale geringer. Aber die Objekte aus der fürsterzbischöflichen Zeit sind sehr bedeutende Denkmale Österreichs. Als Salzburg zu Habsburg kam, war es vollkommen verarmt, was sich auch in der Bautätigkeit äußerte. Das heißt, in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstanden im Vergleich zu anderen Orten Österreichs relativ wenig Neubauten. Hingegen ist der spätmittelalterliche und der barocke Bestand in Salzburg so übermächtig, dass unsere früheren Kolleginnen und Kollegen oft nicht gesehen haben, was nach dem Barock noch alles an zu Schützendem dazugekommen ist. Diese Zeit und das 20. Jahrhundert werden aktuell systematisch aufgearbeitet.

Das Denkmalschutzgesetz bewirkt einen weitreichenden Einschnitt in das Eigentum. Wie hoch ist die Akzeptanz des Bundesdenkmalamtes bei den Eigentümern in Salzburg?

Es ist bekannt, dass die Betroffenen eine Unterschutzstellung als Eingriff in ihr Eigentum betrachten. Richtig ist, dass – wenn die Unterschutzstellung erfolgreich ist – ein entsprechender Eintrag im Grundbuch erfolgt. Der Eigentumseingriff besteht jedoch vielmehr darin, dass die Eigentümer nicht mehr frei darüber entscheiden können, was erhalten oder was abgebrochen wird. Aber nicht nur das Denkmalschutzgesetz ist ein regulierendes oder einschränkendes Gesetz. Denken Sie an die Raumordnungsgesetze, die vorschreiben, wie viel auf einem Grundstück gebaut werden darf – über ein Grundstück kann niemals ganz frei verfügt werden. Der Naturschutz ist vielleicht mit dem Denkmalschutz vergleichbar, da hier oftmals sehr erhebliche Vorschreibungen zum Schutz von Tier- und Pflanzenarten gemacht werden. Das Bundesdenkmalamt erfüllt zwar einen gesetzlichen Auftrag, soll aber mit seinem Wissen – und so verstehe ich auch meine Tätigkeit – Eigentümer von historischen Objekten bei deren Erhaltung gleichermaßen unterstützen. Mit ihrem Fachwissen können die Mitarbeiter den Eigentümern auch etwas zurückgeben.

Dennoch ist die Haltung gegenüber dem Denkmalamt doch eine überwiegend negative …

Von betroffenen Eigentümern wird Denkmalschutz eher als negativ wahrgenommen, weil sie damit ein zusätzlich einschränkendes Gesetz zu berücksichtigen haben bzw. an das Bundesdenkmalamt als Behörde herantreten müssen, wenn die Absicht besteht, ein Denkmal zu sanieren oder umzubauen. Umgekehrt ist es aber so, dass in der Bevölkerung sehr viele Leute unbedingt wollen, dass das Bundesdenkmalamt seinem Auftrag intensiv nachkommt. Man liest nicht selten in der Zeitung Dinge wie „Wo war der Denkmalschutz?“ oder „Warum tut der Denkmalschutz nichts?“. Meine Feststellung ist: Solange die Leute nicht persönlich vom Denkmalschutz betroffen sind, schätzt man den Denkmalschutz. Das liegt in der Natur der Sache, und damit muss das Bundesdenkmalamt umgehen.

Hat das, denken Sie, auch damit zu tun, dass als versöhnendes Element eine nicht nur fachliche, sondern auch finanzielle Unterstützung bei einer Sanierung gewertet werden würde, die ja nur sehr eingeschränkt möglich ist, da die zur Verfügung stehenden Mittel begrenzt sind?

Es ist schon denkbar, dass hier die gesetzlichen Rahmenbedingungen hinsichtlich der Finanzierbarkeit von Denkmalpflegemaßnahmen verbessert werden könnten. Zu überlegen wäre, ob Investitionen im Sinne des Schutzziels mehrwertsteuerbegünstigt werden könnten – das schiene mir adäquat. Auch die Aufstockung unserer Budgetmittel für die Förderungen wäre eine Möglichkeit. Ich denke, dass man mit einer effektiveren finanziellen Unterstützung der Denkmaleigentümer sehr viel abfedern könnte, zumal von Denkmalpflege die gesamte Gesellschaft profitiert. Denkmalpflege ist garantierte Qualität für den Umgang mit historischer Bausubstanz, für die nachhaltigen Kulturlandschaften Österreichs und den davon profitierenden Tourismus. Auf jedem Tourismusprospekt finden sich Bilder von Denkmalen, die für Österreich werben. Zugleich führen Bauprojekte für die touristische Nutzung oftmals zur Zerstörung von Denkmalen und Kulturlandschaften. Es gibt einen großen Handlungsbedarf, wie man diese Interessen der Denkmalpflege und des Tourismus zusammenführen kann. Mit einem kleinen Anteil der Tourismusabgabe für Sanierungen wäre schon sehr viel gewonnen. Ideen, wie sich die Denkmalpflege finanzieren ließe, gibt es viele, hier aber ist die Politik gefragt.

Mit welchen Mitteln wehren sich Objektbesitzer gegen eine Unterschutzstellung – wenn sie sich denn zur Wehr setzen?

Grundsätzlich ist die Unterschutzstellung ein Behördenverfahren auf Basis von Gutachten. Das heißt, Amtssachverständige erstellen Gutachten, die begründen, weshalb ein Objekt ein Denkmal ist. Der bzw. die Betroffene hat dann im Rahmen des Ermittlungsverfahrens die Möglichkeit, eine Stellungnahme abzugeben oder ein Gegengutachten zu erstellen, und im Rahmen des Unterschutzstellungsverfahrens stehen Rechtsmittel zur Verfügung. Einige der Unterschutzstellungsverfahren gehen damit an das Bundesverwaltungsgericht, das erneut unabhängig zu entscheiden hat.

Und werden sie aus Ihrer Erfahrung erfolgreich genutzt?

In Salzburg hat es in den letzten Jahren nur sehr wenige Unterschutzstellungsverfahren gegeben, daher gab es keine Verfahrenseinstellungen oder Bescheidbehebungen. Es ist immer möglich, dass Verfahren in die nächste Instanz gelangen. Dort wird letztlich festgestellt, ob das öffentliche Interesse an der Erhaltung eines Objektes gegeben ist oder eben nicht. Hin und wieder werden Unterschutzstellungen auch eingeschränkt, das heißt, dass zum Beispiel nur Teile eines Objektes unter Denkmalschutz gestellt werden.

Wie begegnen Sie seitens des Bundesdenkmalamtes Konflikten mit Eigentümern und Bauträgern, die einen schützenswerten Bau wegräumen möchten?

Wenn ein Denkmal, das rechtskräftig unter Denkmalschutz steht, abgebrochen werden soll, ist es häufig meine Aufgabe, zunächst einmal durch Aufklärung zur rechtlichen Lage, aber auch mit Überzeugung dieses Ansinnen zu verhindern. Das gelingt in 95 Prozent der Fälle. Mit der Erhaltung von Denkmalen ist immer eine sinnvolle Nutzung verbunden, denn nur so haben sie eine Zukunft. Die Möglichkeiten der Erhaltung zu erkennen und die Eigentümer gut zu beraten ist unsere Aufgabe und zugleich unsere Stärke.

Darüber hinaus kann das Bundesdenkmalamt bei einem Abbruchansuchen einen negativen Bescheid über unsere Rechtsabteilung erlassen, und dieser besagt dann, dass nicht abgebrochen werden darf. Sollte es zu einer widerrechtlichen Zerstörung kommen, so gibt es die Verfahren über die Bezirksbehörden, eine Anzeige bzw. einen Strafantrag, einen Wiederherstellungsauftrag oder auch beides zu stellen. Im Verhältnis zur Gesamtheit der Tätigkeiten im Bundesdenkmalamt sind diese Verfahren sehr selten.

Fällt Ihnen in diesem Zusammenhang vielleicht ein aktueller brisanter Fall ein?

Ein brisanter und aktueller Fall, der jetzt schon fast abgeschlossen ist und der auch durch die Medien ging, ist zum Beispiel das Wandgemälde von Karl Weiser auf der Fassade des Alten Konradinums in Eugendorf, das abgebrochen werden sollte. Hier ist es tatsächlich so gewesen, dass viele Bürger beim Bundesdenkmalamt nachgefragt haben, ob nicht etwas zur Rettung dieses Wandbildes getan werden könnte. Es erfolgte eine Befassung mit dem Wandbild und es wurde letztlich auch nur das Wandbild selbst unter Denkmalschutz gestellt. Vor dem Abbruch des Gebäudes konnte dann das Wandbild mit der Ziegelwand als Block geborgen werden. Damit konnte eine für alle Beteiligten gute Lösung gefunden werden. Dies ist ein Fall, der durch die Medien ging und bereits abgeschlossen ist. Über Fälle, die gerade im Verfahren sind, darf natürlich nicht öffentlich gesprochen werden.

Was mich in dem Zusammenhang interessiert: Wenn man so ein quasi bewegliches, ausbaubares bzw. versetzbares Denkmal wie ein Fresko hat – wie wird da vorgegangen? Versucht man im Vorhinein, dafür einen neuen Platz zu finden? Oder ist die Bestrebung immer dahingehend, es in ein neues Gebäude am selben Ort zu integrieren?

Tatsächlich ist es immer günstig, vorausschauend zu entscheiden und zu arbeiten. Wird ein solches Objekt unter Schutz gestellt, sollte die Strategie über den künftigen Verbleib des Objektes am besten schon klar sein. In diesem Fall konnte das ganze Fresko mitsamt der Mauer auf einem Stützgestell im neu gebauten Konradinum wieder aufgestellt werden. Hier war der Plan, was mit dem Objekt geschehen sollte, schon sehr konkret vorhanden.

Bei welchen Maßnahmen abseits eines Abrisses braucht es eine Bewilligung seitens des Bundesdenkmalamtes, wenn das betreffende Objekt unter Denkmalschutz steht?

Es geht immer darum, die denkmalbegründende Bausubstanz sowie das historisch überlieferte Erscheinungsbild zu erhalten – das äußere wie das innere. So hat zum Beispiel eine Gewölbehalle ein Erscheinungsbild, das erhaltenswert ist. Das bedeutet: Wenn umgebaut wird, wenn es zu substanziellen Veränderungen jeglicher Art kommen soll, auch zum Beispiel zur Überarbeitung bzw. Erneuerung von Architekturoberflächen, ist immer vor Beginn der geplanten Arbeiten eine Genehmigung des Bundesdenkmalamtes einzuholen. Es geht der Denkmalpflege darum, Objekte in ihrer historischen Gesamtheit für die Zukunft zu sichern, weswegen oftmals selbst kleine Maßnahmen bewilligungspflichtig sind. Im Vorfeld und im Zuge der Umsetzung beraten und begleiten die Mitarbeiter des Bundesdenkmalamtes die Vorhaben. Falls es aufgrund von Vorgaben seitens des Bundesdenkmalamtes zu Mehrkosten kommen sollte, so kann entsprechend um Förderung angesucht werden.

Welche Einflussmöglichkeiten hat das Denkmalamt, wenn die Sanierung eines alten, unter Denkmalschutz stehenden Gebäudes aufseiten der Besitzer kein Thema ist und man einfach nichts tut?

Das ist auch etwas, worüber man landläufig nur wenig weiß: Es gibt die sogenannte Erhaltungspflicht, die der Eigentümer nach dem Denkmalschutzgesetz hat. Diese besagt, dass ein Denkmal so weit instand gehalten und verschlossen werden muss, dass durch Witterungseinflüsse kein großer Schaden entstehen kann. Das bedeutet, die Eigentümer haben dahingehend Sorge zu tragen, dass die Dachdeckung in Ordnung ist, doch das kann auch mit partiellen Abdichtungsmaßnahmen erfolgen. Die Fenster sollten geschlossen sein. Der Pflanzenwuchs, beispielsweise an den Fassaden, sollte nicht überhandnehmen. Das sind also sehr geringe Vorschreibungen, die sich aus der wirtschaftlichen Zumutbarkeit ergeben. Das Bundesdenkmalamt kann allerdings niemandem vorschreiben, alles zu sanieren, zum Beispiel die gesamte Fassade in den historisch schönen Bestand zurückzuführen. Es können also keine großen wirtschaftlichen Einschnitte durch Erhaltungserfordernisse verlangt werden.

Es wird auch nicht gestraft, wenn man diese Vorschriften nicht befolgt?

Instandsetzungsmaßnahmen werden erst dann vom Bundesdenkmalamt beauftragt, wenn zum Beispiel das Loch im Dach eines Gebäudes nicht vorsorglich verschlossen wird. In solchen Fällen gibt es die Verfahren der Instandsetzungen. Im Allgemeinen handelt es sich dabei um zumutbare Reparaturen und Absicherungsmaßnahmen. Mit wohlwollenden Denkmaleigentümern lassen sich solche Fälle gut lösen. Die wenigen Fälle, wo nur darauf gewartet wird, dass das Denkmal zerfällt, sind immer kompliziert und langwierig.

Für Schlagzeilen sorgen der Ausbau und die Sanierung der Festspielhäuser, die ja mit dem gesamten Festspielbezirk unter Denkmalschutz stehen. Erweiterungen bzw. Neuzubauten werden notwendig und im Stadtbild zu sehen sein. Wie viel an Neubauten verträgt der Festspielbezirk?

Der Festspielbezirk ist ein sehr dicht bebautes Areal und bis auf einen Werkstättentrakt aus den 60er-Jahren, dem keine Denkmalbedeutung zukommt, gibt es eigentlich kaum Platz für Neubauten. Das ist der Grund, weshalb das Erweiterungsprojekt vorsieht, sehr viel Raum durch Aushöhlen des Mönchsberges zu generieren. Sichtbare Kubaturen neu zu bauen ist durch den Denkmalschutz und den Altstadtschutz sehr stark eingeschränkt. Das Erscheinungsbild der Dachlandschaft des Festspielbezirkes soll seinen Charakter bewahren, eine Beeinträchtigung des Stadtbildes durch allzu sichtbare neue Baukörper ist im Weltkulturerbe-Gebiet jedenfalls zu vermeiden. Hier arbeitet die Sachverständigenkommission für die Altstadterhaltung eng mit dem Bundesdenkmalamt zusammen. Die Salzburger Festspiele sind für Salzburg ein sehr wichtiger Wirtschaftsfaktor, sodass der Betrieb durch die Schaffung von zeitgemäßem Arbeitsraum und zusätzlichen Manipulationsflächen hinter den Publikumsbereichen abgesichert werden muss. In Vorbereitung des Architekturwettbewerbs wurde daher seitens der Denkmalpflege die historische und künstlerische Denkmalbedeutung der Festspielhäuser detailliert erarbeitet, um daraus die denkmal- und stadtbildverträgliche neue Kubatur herzuleiten. Aus dem Wettbewerb ist ein Siegerprojekt hervorgegangen, das mit sehr bescheidenen Veränderungen am Erscheinungsbild des Festspielbezirks auskommt, sodass davon ausgegangen werden kann, dass auch das Stadtbild in seiner Integrität erhalten bleibt.

Es gilt, vieles, was nicht gefällig ist, unter Schutz zu stellen. Auch schwierige Objekte, da sie Teil unserer Geschichte sind. Aktuell dafür steht in Wien das Lueger-Denkmal. Gibt es in Salzburg solche Fälle?

Im öffentlichen Bereich derzeit nicht, wohl aber bearbeitet das Bundesdenkmalamt Objekte von Privateigentümerinnen und Privateigentümern. Es handelt sich um Objekte aus der NS-Zeit, denen eine Eigentümer- und eine Opfergeschichte materiell eingeschrieben ist. Die Aspekte der geschichtlichen Bedeutung sind von allen Seiten sorgfältig zu beleuchten. Das Verständnis dafür, dass das Bundesdenkmalamt auch diese Objekte unter Denkmalschutz stellt, ist nicht sehr weit verbreitet. Aber es ist wichtig, auch diese materiellen Zeugnisse für zukünftige Generationen zu erhalten, denn sie haben eine bedeutende Geschichte, die sich nicht wiederholen darf, zu erzählen. Es genügt eben nicht, Geschehenes der Vergangenheit in Archiven unsichtbar zu verwahren. Was real – substanziell – erhalten bleibt, ist das sicherste Zeugnis bzw. Dokument der Zukunft.

Das spielt sich in Salzburg also hauptsächlich in Privatgebäuden ab?

Derzeit ja. Denken Sie aber zum Beispiel an die ehemalige Rainer-Kaserne in Elsbethen: DieseKaserne wurde ab dem Jahr 1942 gebaut. Nach Kriegsende wurde sie von den Amerikanern übernommen, danach vom österreichischen Bundesheer, und schließlich kam es zum Verkauf an die Firma Red Bull. Das sehr große Areal mit dem denkmalgeschützten Baubestand – im Wesentlichen die ehemaligen Mannschaftsgebäude und der Aufmarschplatz – wurde zur neuen Firmenzentrale. Der denkmalgeschützte Baubestand wurde vorbildlich renoviert und im Inneren funktional adaptiert. Das Projekt wurde nach denkmalfachlichen Standards geplant und in mehreren Etappen umgesetzt. Diese Denkmalanlage ist heute in einem wirklich guten Erhaltungszustand. Die zeitgemäße neue Nutzung und das Sanierungskonzept lassen uns nicht immer daran denken, dass es sich um eine Kaserne aus den 40er-Jahren handelt, obwohl die ehemalige Kaserne als historisches Dokument noch vollständig und sichtbar erhalten ist. Sowohl die neue Nutzung als auch die respektvolle Sanierung des Areals sind in diesem Fall sehr gelungen.

Wie positionieren Sie sich grundsätzlich in hochemotionalen Fragen wie dieser?

Als Behördenvertreterin habe ich das Denkmalschutzgesetz nach bestem Wissen und Gewissen anzuwenden. Die Erfordernisse des Denkmalschutzes und der Denkmalpflege sind dabei möglichst sachlich, transparent und nachvollziehbar zu kommunizieren. Projekte sind zu begutachten und zu entscheiden und einerseits für die Eigentümer sowie für die Planer als auch andererseits für eine interessierte Öffentlichkeit so aufzubereiten und zu vermitteln, dass die privaten Interessen gewahrt bleiben. Die Anliegen und Aufgaben der Denkmalpflege bzw. die Tätigkeit des Bundesdenkmalamtes zu vermitteln ist Teil meiner Aufgabe und liegt mir sehr am Herzen – darum ist mir auch ein Interview wie dieses so wichtig. Das Bundesdenkmalamt arbeitet im Auftrag der Öffentlichkeit und soll über die Notwendigkeit der denkmalfachlichen Bestimmungen gut informiert sein. Zugleich ist ein gut erhaltener Bestand an historischen Objekten auch von allgemeinem Nutzen bzw. von öffentlichem Interesse, wie es das Denkmalschutzgesetz besagt. Daneben habe ich natürlich auch meinen persönlichen und hin und wieder emotionalen Zugang zu historischen Objekten, dieser darf gerne auch mal durchblitzen. Die persönliche Haltung und die eigene Überzeugung sind bei der Vermittlung der Denkmalpflege häufig besser als eine rein sachliche oder gar bürokratische Argumentation. Dabei ist mir der wertschätzende Umgang mit allen an einem Denkmalpflegeprojekt beteiligten Menschen sehr wichtig. Um die denkmalpflegerischen Erfordernisse langwierig oder vehement kämpfen zu müssen, versuche ich zu vermeiden, aber natürlich kommt auch das hin und wieder vor, sodass vor allem die Erhaltungserfordernisse sehr dezidiert und streng mitgeteilt werden müssen. Von der Aufgabe der Denkmalpflege und vom gesellschaftlichen Nutzen dieser Tätigkeit bin ich aber persönlich überzeugt, weswegen ich gerne Denkmalpflegerin bin.

Vielen Dank, dass Sie sich Zeit genommen haben, mit uns zu sprechen.

DI Eva Hody ist eine erfahrene und überzeugte Denkmalpflegerin. 1966 in Zürich geboren, studierte sie ab 1988 Architektur an der TU Wien. Planungserfahrungen sammelte sie in Architekturbüros in Zürich, Tokyo und Wien. Seit 2001 tätig für das Bundesdenkmalamt, ab 2012 ist die Auseinandersetzung mit der nachhaltigen Weiterentwicklung des baukulturellen Erbes ein Schwerpunkt ihrer Tätigkeit als Landeskonservatorin für Salzburg.
Vermittlung, Kommunikation und Verhandlungsführung in der täglichen Arbeit, die intensive Zusammenarbeit im fachlichen Kreis der Architektur und Denkmalpflege sowie die Stärkung der Baukultur zählen zu ihren zentralen Anliegen.
Salzburg, September 2022
Eva Hody


Leerstandsaktivierung der ehemaligen Strickwarenfabrik in Hirschbach

Die ehemalige Strickwarenfabrik Hirschbach aus dem 19. Jh., eines der größten Gebäude im Ort, steht seit über 50 Jahren leer. Der Beitrag über die bewegte Geschichte sowie zukünftige Potenziale der ehemaligen Fabrik beschreibt die Anfänge einer Erfahrung, die von David Calas und Barbara Reiberger initiiert wurde. Über textile Produktion, rurale Potenziale und erweiterte Aktivitäten im dörflichen Kontext des nördlichen Waldviertels wird berichtet. Im Rahmen dieses Unterfangens wurde auch die Ausstellung „Textiles Erbe | Aktive Zukunft“ konzipiert, die ab Mai 2023 im „Lebendes Textilmuseum Groß-Siegharts“ zu sehen sein wird.

Text: David Calas und Barbara Reiberger

Fotos: Sven Wuttej

Fährt man heute ins nördliche Waldviertel, lassen sich, ausgestattet mit genügend Informationen, Teile der textilen Landschaft erkunden. Dennoch ist der Großteil der Textilinfrastruktur bis auf drei Museen unsichtbar geworden. Eines dieser „unsichtbaren“ Objekte befindet sich entlang der Franz-Josefs-Bahn in Hirschbach im Bezirk Gmünd. Die Strickwarenfabrik Hirschbach und vormalige Webereigenossenschaft (Leinen- und Baumwollweberei, Strickfabrik) liegt sieben Gehminuten vom Bahnhof entfernt im Dorfzentrum. Sie fällt durch ihre unverhältnismäßige Größe gegenüber den restlichen Gebäuden im Umkreis auf, wobei sich die vormalige Nutzung, außer einem Hinweis durch eine vergilbte Plakette zur Textilstraße am Hauseingang, vorerst nicht erschließt.

So erging es auch uns beim ersten Anblick. Jedoch blieb es nicht bei bloßen Vermutungen. Wir wollten wissen, warum ein derartig großes Gebäude aus vergangener Zeit – und somit wichtig für die dörfliche Entwicklung von Hirschbach – leer steht. Die Überraschung war groß, als nach einigen Recherchen der partielle Leerstand des Gebäudes auf die 70er-Jahre zurückdatiert wurde. Ob wir abreißen und als Architektenpaar ein Haus errichten wollen, lautete die erste Frage nach kundgetanem Interesse am Erwerb des Objektes. „Nein! Wir möchten das Gebäude öffnen, neues Leben einziehen lassen und somit eine Reaktivierung des Objektes samt öffentlichem Nutzen auslösen.“ Dem verwunderten Blick folgte der Abschlusskommentar: „Do hobt’s euch wos an’tan.“

Angetan haben wir uns etwas – aber nur, weil wir von diesem Objekt, der Geschichte dahinter und dem Potenzial zukünftiger Nutzungen angetan sind. Letztere sind ausschlaggebend, um dem gesamten Unterfangen eine sinnvolle Aktivitätenerweiterung im Kern von Hirschbach zu bieten. Aber der Reihe nach …

Hirschbach war einst Sitz und Mittelpunkt der im Jahr 1898 gegründeten Genossenschaft der Waldviertler Hausweber, wie aus dem Kremser Volksblatt aus dem Jahr 1899 hervorgeht. Die Heimweberei für Textilindustrie war im Waldviertel noch bis zur Jahrhundertwende weit verbreitet, da die meisten Heimweber:innen im Auftrag von Fabrikanten arbeiteten. Die Einführung der mechanischen Produktion führte allerdings zu noch geringeren Löhnen für die Heimweber:innen, die ohnehin schon vom vorherrschenden Lohndumping stark betroffen waren; hinzu gesellte sich eine sehr unregelmäßige Auftragslage. Somit waren viele Heimarbeiterfamilien von Armut betroffen. Durch die Gründung der Produktionsgenossenschaft erhoffte man sich gemeinsame Auftragsbeschaffung und Vermarktung, womit auch höhere und stabilere Löhne einhergehen sollten. Diese kollektive Bestrebung sollte dem weit verbreiteten „Weberelend“ ein Ende setzen.

Die Zentrale in Hirschbach war eine dieser operativen Genossenschaften. Hier wurden die Heimweber:innen mit Arbeitsmaterial versorgt, und die fertigen Stücke wurden nach der Bearbeitung wieder entgegengenommen sowie in weiterer Folge an Faktoren weitervermittelt.

Den Beginn machte um das Jahr 1846 die Leinen- und Baumwollweberei der Familie Breitenseher. Das Gebäude selbst wurde in der zweiten Hälfte des 19. Jh. umgebaut und erweitert, vor dem Ersten Weltkrieg aufgestockt und als Genossenschaftsgebäude für die „Produktionsgenossenschaft der vereinigten Hausweber im NÖ Waldviertel“ genutzt.

Die Infrastruktur sollte für Stabilität im konkurrierenden Gewerbe der Heimweberei sorgen. Schlussendlich blieben jedoch die Konkurrenz zu groß, die Wirren der Geschichte zu nahe sowie die ausbeuterische Dynamik rund um das Textil untragbar und die Genossenschaft wurde aufgelöst.

Nach der Auflösung übernahm die Strickwarenfabrik STIASSNY & Co das Gebäude, und anstelle von Webstühlen fanden nun Strickmaschinen Platz. Der aus Wien stammende Fabrikant übernahm in der Zwischenkriegszeit beide Fabriken in Hirschbach (Haus Nr. 11 und Nr. 110), wobei die Verwaltung von Wien aus gesteuert wurde, was in der Textilbranche damals oft üblich war. Hergestellt wurden unter anderem Qualitätsstrümpfe und ‑handschuhe der Marke GAMMA sowie Kinderbekleidung der Firma Reißteufel. In den letzten Tagen der Strickwarenfabrik, bevor sie am 23.9.1966 ihre Pforten schloss, wurden Socken und Handschuhe für das österreichische Heer produziert.

Das Gebäude blieb seit der Übernahme von STIASSNY & Co fast unverändert. Dies ist auch auf die gute Bausubstanz sowie auf die Ausführung beim Umbau in der zweiten Hälfte des 19. Jh. zurückzuführen. Mitunter ein Grund, weshalb sich das Gebäude heute, nach über 150 Jahren und mehreren Besitzerwechseln, noch immer in einem passablen Zustand befindet.

Der Gebäudekomplex, eingebettet mitten in den Ortskern von Hirschbach, besteht aus Produktions- und Wohnräumen, Stall und Scheunen sowie zwei Innenhöfen. Der Bau fungiert dabei als hybrides Raumkonglomerat, wo zwar Produktionsstätten Platz fanden, aber auch gewohnt und einer selbstversorgenden landwirtschaftlichen Nutzung nachgegangen wurde.

Der zweigeschoßige Bau ist mit einem Walmdach ausgestattet. Das schlichte Erscheinungsbild der Straßenfassade (Vitiser Straße) wurde durch ein Kordongesims horizontal unterteilt. Den oberen Abschluss bildet ein Traufengesims. Die Längsfront gliedert sich in neun Fensterachsen, die im 1. Obergeschoß nach wie vor klar erkennbar sind. Die Gliederung in der Erdgeschoßzone wurde nachträglich verändert. Die schlichte Putzfassade ist im Obergeschoß mit Quaderungen unterteilt. Die obere Fensterreihe besteht aus Kastenfenstern, die sich leicht von der Fassadenfläche absetzen. Betont werden die Fensteröffnungen durch Sohlbänke mit Sohlbankfeldern, die den unteren Abschluss bilden. Hervorgehoben werden die Fensteröffnungen durch profilierte Gewände. Den oberen Abschluss bildet jeweils eine Fensterverdachung. Die straßenseitige Fassadengestaltung entlang der Teichgasse ist im vorderen Teil ähnlich der Hauptfassade ausgestaltet. Nach der dritten Fensterachse ändert sich die Gliederung jedoch. Schlichte Kastenfenster schmücken die Fassade.

Aufgrund der Historie sowie der bisherigen Unsichtbarkeit ist die strategische Ausrichtung für ein derartiges Unterfangen klar. Wir wollen das Objekt sowie die damit zusammenhängenden Nutzungen partizipativ mit den Bewohner:innen von Hirschbach und Interessierten entwickeln. Bevor es losgeht, müssen manche Bereiche saniert werden. Auch der Denkmalschutz steht im Raum. Einwohner:innen, Kreative, Bildungseinrichtungen, Studierende und Start-ups zeigen bereits Interesse, involviert zu werden – ein Potpourri an partizipativer Aktivierung, struktureller Instandsetzung sowie Aktivitätendiversität, das wir bündeln möchten. Die Struktur soll sich flexibel darauf ausrichten können. Der Mix aus Arbeit und Kultur wie auch der Esprit der Offenheit nach innen und nach außen sollen Impulse bieten. Dafür sind wir gerade auf der Suche nach den geeigneten Förderungen bzw. auch privaten Förderern. Kein leichtes Unterfangen.

Einen Zwischenschritt, bevor es in die Sanierung geht, konnten wir bereits dank des Hans-Hollein-Projektstipendiums setzen. Die Förderung des österreichischen Bildungsministeriums erlaubte uns eine Aufarbeitung der textilen Geschichte im Rahmen der eigens konzipierten Wanderausstellung „Textiles Erbe | Aktive Zukunft“.

Den Kern dieser Ausstellung bilden zehn sichtbar gemachte bauliche Strukturen, die zum textilen Erbe des nördlichen Waldviertels gehören. Auf einem langen Tisch präsentiert, laden Modelle sowie dazugehörige Publikationen die Besucher:innen zum Verweilen ein. Die bewegte Geschichte, die Architektur sowie fotografische Momentaufnahmen sorgen für eine verdauliche wie auch inklusive Ausstellungserfahrung.

Verwoben mit dem Kern der Ausstellung fächern sich übergeordnete Handlungsfelder, die sich mit dem Zustand der Baukultur sowie möglichen Transformationsprozessen auseinandersetzen, um den Tisch auf. Dabei werden die präsentierten Themen mittels kurzer Texte und selbsterklärender Skizzen auf das Objekt der Textilfabrik Hirschbach heruntergebrochen und mit bereits umgesetzten Referenzbeispielen erweitert. Die auf diese Weise erhaltenen Informationen sollen anregen, aber auch für mögliche Nutzungsszenarien sensibilisieren.

Die Ausstellung „Textiles Erbe | Aktive Zukunft“ wurde in den Sommermonaten 2022 in der Textilfabrik Hirschbach gezeigt und wird ab Mai 2023 im „Lebendes Textilmuseum Groß-Siegharts“ einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden – hoffentlich im Sinne einer Wertschätzung des textilen Erbes und der Notwendigkeit einer aktiven Zukunft.

Homepage: www.dietextilfabrik.at

Facebook und Instagram: dieTextilfabrik

Biografien

Barbara Reiberger und David Calas gründeten im Jahr 2021 dieTextilers – Arbeit, Kultur und Urlaub OG zur Leerstandsaktivierung der ehemaligen Strickwarenfabrik in 3942 Hirschbach/NÖ im Bezirk Gmünd.

DI Barbara Reiberger: Architektin mit Schwerpunkt Bauen im Bestand, Denkmalpflege und Leerstandsaktivierung, selbstständig im Waldviertel und in Wien, Planerin im BÜRO KLK/Wien, Architekturvermittlerin bei NÖ GESTALTE(N)/St. Pölten, Kuratorin von Ausstellungen mit architektonischen Schwerpunkten

Prof. Arch. DI Dr. David Calas: Architekt, Urbanist + Ruralist, Lehrender sowie Gründer des interdisziplinär agierenden „Studio Calas“ mit Büro in Wien. In seiner Arbeit konfrontiert er sich mit fließenden Übergängen zum Urbanen, zum Ländlichen, zur Architektur, zur Kunst und zum Aktivistischen. Professor für Architektur und Stadtgestaltung an der German International University (GIU) in Berlin sowie Gastdozent an der Freien Universität Bozen im Master für Eco-Social Design/Project 2.


„Wir vermitteln Werte!“

Interview: Therese Backhausen

Seit 40 Jahren ist die von KR Georg Spiegelfeld gemeinsam mit seinem Vater Alexander Spiegelfeld gegründete Immobilienvermittlung in allen klassischen Immobilienbereichen erfolgreich tätig. In den jeweiligen Bereichen bemühen sich Spezialisten und Branchenprofis mit großem Erfahrungsschatz und langjähriger Zugehörigkeit zum Unternehmen um beste Vermittlungsergebnisse und zufriedene Kunden.

Dipl.-Kfm. Fridolin Angerer wirkt aus Leidenschaft und mit Passion im Bereich Forst, Land, Schlösser.

Verein Historische Gebäude Österreich: Der Immobiliensektor ist geprägt von einem ständigen Entwicklungs- und Bewegungsprozess. Haben die Lockdowns die Präferenzen bei der Immobiliensuche verändert?

Georg Spiegelfeld: Die Lockdowns waren ein spezielles Thema! Das Erfordernis, von zu Hause aus zu arbeiten, hat an den Wohnraum neue und zusätzliche Ansprüche gestellt. Aus dem Wohnort wurde zugleich der Arbeitsort. Ansätze zu einer besseren Work-Life-Balance gab es ja auch schon vor der Pandemie, die Arbeitgeber waren aber bei diesem Thema eher verhalten und fürchteten um die Leistungen fürs Unternehmen. Die Umsetzung, auch von zu Hause aus für das Unternehmen zu arbeiten, wurde durch die Pandemie extrem beschleunigt. Bei einigen Berufsgruppen ist es heute möglich, bestenfalls nur mehr zwei oder drei Tage einer Arbeitswoche im angestammten Büro zu arbeiten, den Rest von zu Hause. Damit haben sich die Anforderungen an die Größe und die Lage der jeweiligen Wohnorte wesentlich verändert. Städtische Wohnungen müssen einen ruhigen und ungestörten Arbeitsbereich – oft sogar für beide Ehepartner – bieten und ermöglichen. Andererseits ist es nun auch möglich, von der Stadt aufs Land zu ziehen, wo größere und günstigere Wohnflächen mit mehr Grünflächen und viel umliegender Natur mehr Lebensqualität bieten. Aber auch die Ansprüche an Büroimmobilien haben sich stark verändert. Unser Experte für Büroimmobilien berichtet, dass nur mehr durchschnittlich 80 Prozent der gemieteten Büroflächen tatsächlich als Arbeitsplatz verwendet, die Restflächen für Gemeinschafts-, Erholungs- und Fitnessräume genutzt werden. Waren früher Mitarbeiter anfahrtsbedingt überwiegend aus der Region, so gelingt es heute dank Zoom-Meetings, Digitalisierung und geringerer Anwesenheitsverpflichtung, auch qualifiziertes Personal aus größeren Entfernungen für das Unternehmen zu gewinnen.

VHGÖ: Wie ist die Lage im Segment der Schlösser, Villen und Herrenhäuser? Wie hat sich dieser Bereich durch die Pandemie verändert?

Fridolin Angerer: Ich bin seit 18 Jahren im Hause Spiegelfeld im Bereich Forst, Land, Schlösser unter anderem für die Vermittlung von schönen Häusern am Land zuständig. Bei mir findet der Interessent historische Immobilien mit großen Grundstücken in Allein- oder Aussichtslagen, die in Wien sehr selten und äußerst teuer sind. In den letzten 10 Jahren war eher die Nachfrage nach Wald und Jagden steigend, die Nachfrage nach Wochenendhäusern und Landsitzen hingegen war rückläufig. Die Kosten für gutes Wohnen in Wien waren und sind derart hoch, dass sich viele junge Familien mit Kindern keinen Zweitwohnsitz am Land leisten konnten oder wollten. Aufgrund günstiger Flugangebote verbrachte man stattdessen die Wochenenden in London oder Paris, besuchte Freunde und war an wechselnden Orten. Der klassische Zweitwohnsitz oder Sommerfrische-Ort kam aus der Mode. Die Pandemie mit ihren Reise- und Ausgangsbeschränkungen hat nicht nur den Urlaub in Österreich wieder attraktiv gemacht, sondern auch den Wunsch nach einem Wohnsitz am Land neu erweckt. Wie eingangs von Herrn Spiegelfeld schon festgestellt, erlauben die neuen Arbeitsbedingungen auch größere Entfernungen zwischen Wohn- und Dienstort. Die Vorzüge von größeren Wohneinheiten bzw. Häusern am Land und in der Natur waren gerade während der pandemiebedingten Ausgangsbeschränkungen spürbar. War man in der Stadt eingesperrt und konnte nur für dringende Besorgungen die Wohnung verlassen, so konnte man sich am Land im eigenen Garten und in der angrenzenden Natur frei bewegen. Nach dem ersten Lockdown drängten die Städter förmlich aufs Land.

VHGÖ: Gab oder gibt es bevorzugte Gegenden?

F.A.: Früher waren nahezu alle Anfragen mit dem Kriterium „eine Stunde von Wien entfernt“ begrenzt. Das hat sich jetzt verändert. Seltenere Büroaufenthalte ermöglichen weiter entfernte Wohnorte. Bevorzugt sind weiterhin der Semmering, das Raxgebiet und das Wald- und Weinviertel. Da das Angebot in diesen Regionen aber mittlerweile sehr gering ist, rücken alternativ der Wechsel, die Bucklige Welt, das Burgenland und das entferntere Obere Waldviertel in den Fokus. Der Suchradius für Landhäuser hat sich klar erweitert. Interessenten, die bisher noch nicht fündig geworden sind, sind jetzt auch offener für unbekanntere Regionen.

G.S.: Ein ganz wichtiges Thema ist neuerdings auch die öffentliche Anbindung. Eine gute Zugverbindung zwischen dem Wohnsitz am Land und dem Arbeitsort wird von den Interessenten geschätzt. Das Pendeln zwischen diesen beiden Orten, aber auch die Reise an andere Orte, wird verstärkt mit der Bahn bewerkstelligt.

VHGÖ: Welche Bedeutung haben Schlösser und historische Gebäude im Gesamtangebot von Spiegelfeld Immobilien?

G.S.: Seit der Firmengründung war der Bereich Forst, Land, Schlösser immer ein starker und für uns bedeutsamer Bereich. Durch unseren familiären Hintergrund und unsere weitreichenden Verbindungen konnten wir in unserer langjährigen Firmengeschichte an großen und namhaften Transaktionen mitwirken. Der Verkauf eines Schlosses oder eines großen Forstbesitzes trägt zum Renommee unseres Unternehmens maßgeblich bei, erfordert aber auch Geduld, ein hohes Maß an Erfahrung und Know-how.

VHGÖ: Wer sind denn die Interessenten für historische Bauten? Einheimische? Ausländer?

G.S.: Im Moment ist es mit ausländischen Interessenten schwierig. Anders als in den vergangenen 20 Jahren ist Wien nicht mehr die Drehscheibe für große und internationale Unternehmen in den südosteuropäischen Raum. Mittlerweile haben diese ausländischen Betriebe ihre Firmensitze und Zentralen vor Ort in den südosteuropäischen Ländern. Daher arbeiten und wohnen deutlich weniger gutverdienende Ausländer in Wien bzw. im Großraum Wien. Anders ist es in den westlichen Bundesländern Salzburg und Tirol. Dort ist die Nachfrage nach Wohn- und Baumöglichkeiten deutlich größer. Besonders aus Bayern, speziell München, drängen Kaufinteressenten in die Regionen Kitzbühel, Salzburg und Umgebung und treiben die Preise. Interessenten für Schlösser und historische Gebäude heben sich aber von der allgemeinen Klientel deutlich ab. Meist haben sie aufgrund ihrer Familien und Herkunft ein ausgeprägtes Geschichtsbewusstsein und eine Vorliebe für historische Gebäude.

F.A.: Überwiegend sind es Österreicher, die auch bewusst im Inland suchen. Am Suchort gibt es entweder familiäre Wurzeln, bestehende Besitzungen oder ein Umland mit hohem Freizeitwert wie Berge und Seen. Oftmals wünschen sich auch „Heimkehrer“, die jahrzehntelang erfolgreich im Ausland tätig waren, solche besonderen Immobilien. Aber auch nach einem erfolgreichen Firmenverkauf können der Erwerb und die Renovierung eines Schlosses eine neue Aufgabe, eine sinnstiftende Tätigkeit und die gewünschte Verwendung für Teile des Verkaufserlöses sein. Zuletzt konnten wir unweit von Prag einem ehemaligen Fabrikanten aus der Pharmaindustrie ein Schloss als neue Lebensaufgabe und zur Schaffung eines Familiensitzes vermitteln. Wichtig war dem Käufer, möglichst das gesamte und speziell auf den letzten Bewohner verweisende Inventar mitzuerwerben. Vielleicht auch, um das Andenken an den unbeugsamen Vorbesitzer Ernst von Schwarzenberg zu bewahren, der unter den Kommunisten zur Arbeit unter Tage im Uranabbau gezwungen war, aber trotz Enteignung des gesamten Besitzes seine tschechische Heimat nie verließ.

VHGÖ: Ist der Immobilienmarkt eine Blase? Es gibt immer weniger Leute, die sich das leisten können. Haben Sie irgendwelche Erfahrungen oder Wahrnehmungen?

G.S.: Es wird zukünftig besonders für viele junge Menschen schwieriger werden, sich Eigentum zu leisten. Wir rechnen mit einer Verlangsamung und mit stagnierenden Verkäufen, was für uns als Immobilienmakler nicht angenehm sein wird. Die Stimmung am Markt ist verhalten und geprägt vom Abwarten, wie sich Zinsen und Preise entwickeln. Zusätzlich haben steigende Energiekosten zuletzt für weitere Verunsicherung gesorgt. Neue Klimaregeln und Änderungen bei den Heiz- und Energievorschriften, auch mit stark steigenden Errichtungskosten und langen Wartezeiten, sind dem Immobilienmarkt abträglich. An ein großes Fallen der Immobilienpreise glaube ich persönlich aber nicht. Der Bedarf an Wohnungen und Wohnmöglichkeiten ist nach wie vor groß, daher sehe ich am Immobilienmarkt auch keine Blase.

VHGÖ: Meinen Sie, dass der Aufwärtstrend bei historischen Gebäuden anhalten wird?

F.A.: HistorischeHäuser am Land unterscheiden sich maßgeblich von Neubauten und Reihenhäusern. Großzügig geplant und solide für Generationen gebaut, sind sie werthaltig und ein seltenes Gut. Bei entsprechend großen Park- bzw. Gartengrundstücken bestimmt auch immer der Bodenwert wesentlich den Wert und den Preis der Immobilie. Aktuell stelle ich fest, dass im Umland von Wien auch schon Villen in großen, als Bauland gewidmeten Grundstücken zugunsten von Bauträgerprojekten geschliffen wurden. Das führt zu einer zusätzlichen Verknappung dieser gesuchten Sonderimmobilien. Ein Preisverfall scheint mir daher unwahrscheinlich. Besonders schöne und historische Immobilien werden weiter geschätzt und gesucht werden, ihre Preise werden eher steigen als fallen!

VHGÖ: Welche Auswirkungen hat der Ukraine-Krieg auf die Investitionstätigkeit von Russen?

G.S.: Russen suchen schon länger nicht mehr in Wien. Bis zum Jahr 2015/2016 waren sehr viele Ukrainer und Russen in Österreich und haben auch viele Immobilien erworben. Die Stimmung der Österreicher gegenüber reichen Russen und Ukrainern mit ihren hohen Wohnansprüchen ist eher verhalten. Ihre andere Art zu wohnen, ihre Einrichtung und ihr Stil unterscheiden sich stark vom Wiener Angebot an Altbauwohnungen und klassischen Gründerzeit-Häusern. Nur die besten und luxuriösesten Immobilien waren im Fokus. Die nun getroffenen Sanktionen verunmöglichen weiterhin russische Investitionen.

F.A.: Herrenhäuser und Schlösser am Land waren nie das ganz große Thema russischer Investoren. Zuletzt gab es dazu auch keine Anfragen mehr. Aber ganz aktuell sind wir von einer russischen Familie beauftragt, für ihren nur eine Stunde von Wien entfernten und besonders schönen Herrensitz mit 200 ha großer Eigenjagd einen Käufer zu finden.

VHGÖ: Welche Rolle spielt die asiatische Bevölkerung am österreichischen Immobilienmarkt?

G.S.: Der österreichische Markt scheint für asiatische Investoren weniger attraktiv. Wie ich höre, wird eher in Ungarn investiert. Durch zahlreiche bilaterale Abkommen zwischen Ungarn und China hat Viktor Orban chinesische Firmen als Käufer und Investoren für Ungarn gewonnen.

VHGÖ: Vermitteln Sie Schlösser und historische Immobilien jenseits der österreichischen Grenzen?

G.S.: Wir sind auch international tätig und vermitteln immer wieder im angrenzenden Ausland.

F.A.: Überwiegend suchen einheimische Interessenten historische Villen oder Schlösser in Österreich. Vergangenes Jahr konnte ich ein Schloss in Tschechien vermitteln. Meine zahlreichen Fahrten durchs Nachbarland zeigten aber auch, dass die ländliche Entwicklung dort spürbar weniger fortgeschritten ist. Aus diesem Grund verlässt der Österreicher nur ungern das Land. Für Abenteurer mit Gestaltungswillen gibt es aber im Osten ein großes und günstigeres Angebot mit entsprechenden Möglichkeiten.

G.S.: Unser Schwerpunkt ist sicherlich Österreich.

VHGÖ: Wie stehen Kaufinteressierte zum Denkmalschutz?

F.A.: Der Liebhaber historischer Gebäude ist sich grundsätzlich bewusst, dass derartige Gebäude schützenswert sind und daher auch unter Denkmalschutz stehen. Es ist ja auch sein ureigenstes Anliegen, sein erworbenes Gebäude entsprechend zu erhalten. Aber nicht immer werden die auch kostenintensiven Auflagen des Bundesdenkmalamtes (BDA) freudig angenommen und umgesetzt. Im Vorfeld eines Erwerbes werden daher meist schon erste Gespräche zur Auslotung der Möglichkeiten und zu den zu erwartenden Verpflichtungen mit dem zuständigen Betreuer vom BDA geführt. Grundsätzlich ist aber auch den Mitarbeitern des BDA bewusst, dass ein unter Denkmalschutz stehendes Gebäude für den Eigentümer in erster Linie eine zeitgemäße Wohnmöglichkeit bieten muss. Entsprechende Umbauten zur Erreichung eines zeitgemäßen Wohnkomforts werden daher bestmöglich unterstützt. Wir von Spiegelfeld Immobilien unterstützen dabei und stellen entsprechende Kontakte zu den Verantwortlichen im Bundesdenkmalamt oder zu den auf Renovierungen spezialisierten Fachleuten und Handwerkern her. Es ist auch für uns eine große Freude, wenn ein von uns vermitteltes Gebäude als Kulturgut erhalten bleibt und nach seiner Renovierung zum einzigartigen Landschaftsbild Österreichs beiträgt.

Meine Herren, vielen Dank, dass Sie sich Zeit für uns genommen haben.


Das Kellerdorf „Loamgrui“ in Unterstinkenbrunn – pittoreskes Wahrzeichen einer Weinviertler Identität

Text und Fotos Therese Backhausen

Im Europäischen Kulturerbejahr 2018 war auch die „Weinviertler Kellergasse“ ein großes Thema. In deren Mittelpunkt standen Erforschung, Schutz, Wertschätzung und Erhaltung dieses weltweit einzigartigen Kulturerbes. Denn eine jahrhundertealte Weinbautradition, deren Zeugnis eine Häufung an bäuerlichen Weinkellern als eigene Wirtschaftssiedlungen im nordöstlichen Niederösterreich ist, prägt das Land. Sie alle sind unter dem Namen „Kellergasse“ bekannt. Ihre ursprüngliche Funktion zur Produktion und Lagerung des Weines ist heute zwar weitgehend verloren und ihr Bestand gefährdet. Das Bewusstsein, ihren Alterswert zu bewahren und die bewegte Geschichte der Kellergassenkultur sichtbar zu machen, ist jedoch zunehmend vorhanden und die räumlichen Nutzungsmöglichkeiten durch einen Mix aus Kultur, Gastronomie und Kunsthandwerk sind mannigfaltig.

Eine dieser kulturhistorischen Besonderheiten unter der Vielzahl von 800 Kellergassen mit über 30 000 Presshäusern ist das Kellerdorf „Loamgrui“ bei Unterstinkenbrunn.

Es ist keine reine Kellergasse im bekannten Sinn, sondern ein von Kellergassen flankiertes Kellerdorf, das über die Jahre seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts im Zuge einer neu gewonnenen Freiheit für die Bauern nach den Josephinischen Reformen[1] in einer Geländesenke, einer ehemaligen Lehmgrube, natürlich heranwuchs und dessen Zauber man sich nicht entziehen kann. Die letzten Häuschen entstanden in den 1920er-Jahren. Es ist ein intaktes Erscheinungsbild, dieses geschlossene Ensemble von etwa 80 Kellern mit vorgelagerten kleinen, in typischer Formgebung gestalteten Presshäusern, die sich malerisch um eine Art „Dorfplatz“ reihen. Allesamt sind einander ähnlich in ihrer Schlichtheit der Architektur, ihrer kargen Befensterung, ihren rauchfanglosen Dächern[2] ohne Dachrinnen oder ihren spezifischen, an einen Säulenportikus erinnernden Vordächern.

Nicht etwa im Ortsverband, dort, wo die Bauernhäuser aneinandergereiht standen, bauten die Bauern ihre Keller, sondern dort, wo sie genug Platz hatten und wo ihnen die Bodenbeschaffenheit entgegenkam. Dies waren meist vom abfließenden Regenwasser ausgeschwemmte und von Fuhrwerken ausgefahrene, heute geschützte Hohlwege mit lehmig-weichen Böden. Zwischen zwei jeweils parallelen, tief liegenden Hohlwegen, die als Einbahnsystem nach Unterstinkenbrunn und von dort weg führten, entstand das Kellerdorf. Diese Böden waren ideal für die röhrenartig langen, händisch in den Boden getriebenen Lagerkeller, mehrere Meter unter dem Erdniveau. Dadurch wurde eine zu jeder Jahreszeit konstant kühle Temperatur um die 12 Grad erreicht.

Wie der Name „Loamgrui“ schon sagt, mutierte der gewonnene Lehm einerseits zum Aufschüttmaterial für die Erdkeller, wie sie als hügelige Ausformungen in der Dorfmitte auszunehmen sind, und andererseits zum Ziegel, der dann als Baumaterial für die Kellerwölbungen, Eingänge sowie die vorgelagerten Presshäuser diente. Ein Bottich sowie die bis zu 9 Meter lange Weinpresse mussten darin untergebracht werden. Um den gefürchteten Gärgasen rasch entkommen zu können, situierte man Eingangstür und Kellerhals genau in einer Achse. Das Mauerwerk wurde meist gekalkt oder mit Pastellfarben akzentuiert, die Presshäuser deckte man mit Stroh, später dann mit gebrannten, rechteckigen Lehm- bzw. Biberschwanzziegeln. Auch das sogenannte „Gaitloch“, eine knapp über dem Gassenniveau gelegene Maueröffnung mit Türl, durfte nicht fehlen. Durch diese – jetzt meist überall zugemauerten – Öffnungen wurden die Trauben in den Bottich abgelagert und in die Presse eingebracht.

Thomas Gass, Weinbauer und Kellergassenführer erzählt, dass heute von den ursprünglichen 37 ha der um das Kellerdorf herum wachsenden Weinrieden nur mehr ca. 27 ha von einigen wenigen Weinbauern bewirtschaftet werden; der Rest ist nunmehr Ackerfläche. Die maschinellen Arbeitserleichterungen und die neuen Lagermethoden unter der Erde raubten den Kellern schon seit Langem ihren tieferen Sinn.

Da das Generationenerbe auch für die Zukunft als einzigartiges Kulturgut erhalten bleiben soll, gibt es seitens der Gemeinde strenge Auflagen für die Erhaltung der Häuser. Um die Schönheit des Einfachen zu erhalten, darf nur noch renoviert, aber nicht mehr grundlegend umgebaut oder gar – so wie an einigen Objekten sichtbar – „verschönert“ werden. Denn immer mehr Leute entdecken heute das Erbe der „Loamgrui“ mit ihrer schlichten Ästhetik vor ihrer Haustüre. Deutlich ist der Trend zu erkennen, dass man dem problembehafteten Thema des Leerstands als Raumressource, als Potenzial, welches es zu nutzen gilt, etwas Positives abgewinnen kann. Das Kellerdorf „Loamgrui“ spielte lange Zeit als Teil eines Selbstversorgerkonzeptes mit geselligem Beisammensein bei Wein und Essen, Singen und Feiern eine bedeutende Rolle, die durch Leerstandsaktivierungen und Umnutzung auch heute im Leben der Menschen wieder einen hohen Stellenwert in dieser bäuerlichen Region hat. Mit ganzjährigen Aktivitäten wie romantischen Adventmärkten, Heurigen samt Verkostungen, Führungen, offenen Kellertüren, Belebung von Bräuchen wie jenem des „Kölamaunafestes“, Jugendfesten, Radtourismus usw. usf. werden die zuvor passiven Räume temporär mit Leben gefüllt und sind so wiederum Teil eines lebendigen Organismus. Seitens aller Kellergasseninstitutionen des Landes wird die Aufnahme der Wein- und Kellergassenkultur als immaterielles Kulturerbe in die von der UNESCO geführte Welterbeliste angestrebt. Ein entsprechender Antrag wurde bereits eingereicht

[1] Bauern war nun autonomes Wirtschaften auf eigenem Anwesen erlaubt. Bis dahin lag die Weinproduktion in

   den Händen von Klöstern und Herrschaften.

[2] Erst in jüngerer Zeit wurden an einigen Presshäusern wegen der Nutzung als Heuriger Rauchfänge angebracht.


NextGen Conference in Palermo

Text: Johann-Wenzel Wilczek

Fotos: Johann-Wenzel Wilczek und Ferdinand Goess

Dieses Jahr fand die 20. NextGen Conference der italienischen „Historic Houses“ vom 23. bis 25. September in Palermo, Sizilien statt. Von der österreichischen Jugenddelegation reisten Johann-Wenzel Wilczek, Ferdinand Goess und Livia Guggenberg an. 

Das Konferenzwochenende startete am Freitagabend im prachtvollen Palazzo Cottone di Castelnuovo mit einem Get-together. Wir lernten die großteils aus Italien kommenden Mitglieder kennen, doch es waren auch die Niederlande, die Schweiz, Spanien, Griechenland und die Ukraine vertreten und wir besprachen die Zukunft für die österreichische Next-Generation-Gruppe für Historic Houses.

Am Samstagvormittag fand die Konferenz im beeindruckenden Palazzo Ajutamicristo statt. Das Thema der Konferenz lautete „Zeitgenössische Kunst in historischen Häusern“. Die Räumlichkeiten waren malerisch und erinnerten an den längst vergessenen Reichtum und Prunk der Monarchie. Das heutige Erscheinungsbild des Palastes erlangte er in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts im Auftrag des damaligen Besitzers, Don Aloisio Moncada, Fürst von Paternò. Die ausführenden Architekten waren Nicolò Anito und Andrea Gigante. In dem von ihm errichteten Ballsaal, in dem die Konferenz stattfand, ragt das Deckenfresko „Der Ruhm der tugendhaften Fürsten“ von Giuseppe Crestadoro heraus.

Nach einem typisch sizilianischen Mittagessen und zahlreichen Gesprächsrunden der Konferenz ging es zum nächsten Programmpunkt – einer Besichtigung des Palazzo Mazzarino. Auch dieser befindet sich noch heute im Privatbesitz. Hier konnten wir das eben besprochene Thema der Konferenz live erleben. Der jetzige Besitzer verwendet den Palazzo, um seine Sammlung zeitgenössischer Kunst zu präsentieren. Besonders in Erinnerung wird mir das unglaubliche Schmetterlingswerk von Damien Hirst bleiben, welches sich in der berühmten Sala della Minerva befindet. Dieser prächtige und majestätische Saal wird von einem Tonnengewölbe mit Lünetten und Fresken geschmückt und von der gigantischen Statue der Minerva beherrscht.

Anschließend besuchten wir den Palazzo Butera. Im historischen „La Kalsa“-Viertel von Palermo gelegen, galt dieser Palazzo einst als einer der schönsten Paläste Siziliens im 17. und 18. Jahrhundert. Er war berühmt für seine monumentale Fassade mit Blick auf den Golf von Palermo. Vom einstigen Glanz ist jedoch heute nur noch wenig zu sehen. Im Jahr 1759 brach nämlich im Palazzo ein Feuer aus – der Hauptteil des Gebäudes sowie sämtliche Einrichtungsgegenstände und wertvollen Möbel des Hauses gingen in Flammen auf. Besonders beeindruckend bei dem Rundgang fanden wir alle die Terrasse aufgrund ihrer Größe. Diese wird von zwei Pavillons begrenzt und erstreckt sich über 100 Meter von der Porta Felice bis zum Palazzo Piraino. Der Boden der 1000 Quadratmeter großen Terrasse besteht aus grünen und weißen Majolika-Fliesen, wobei jede in Sizilien von einem spezialisierten Handwerksbetrieb handgefertigt wurde.

Zum krönenden Abschluss fand nach diesem großartigen Tag ein Ball in der etwas außerhalb von Palermo liegenden Villa Bordonaro ai Colli statt. Das Anwesen wurde im 18. Jahrhundert für König Ferdinand und Königin Caroline von Bourbon als Exilresidenz erbaut. Auch an diesem Abend machten wir erneut sehr spannende Begegnungen mit den interessantesten Menschen. Das Abendessen und die anschließende Disco dauerten bis spät in die Nacht.

Als finalen Programmpunkt hatten wir das besondere Privileg, zu einem Brunch in die Villa Tasca Camastra außerhalb der Stadt geladen zu werden – ein passender Abschluss eines spannenden und lehrreichen Wochenendes. Wir konnten viele hilfreiche Kontakte knüpfen und Inspiration sammeln für zukünftige Veranstaltungen in Österreich.