Herbst Newsletter 2024


WAHL DES VORSTANDES

am 05.10.2024 bei der Generalversammlung im Palast Hohenems

Am 05.10.2024 wird bei der Generalversammlung in Hohenems der Vorstand gewählt.

Da keine neuen Wahlvorschläge eingetroffen sind, stellen sich die bisherigen Kandidaten

Alexander Kottulinsky

Marie Prinzessin von und zu Liechtenstein

Georg Spiegelfeld-Schneeburg

Jan Gruszkiewicz

Peter Mensdorff-Pouilly

zur Wiederwahl.

Wir freuen uns, wenn Sie zur Wahl zahlreich erscheinen.


Reise in die Ostschweiz und Liechtenstein im September 2024

Text und Fotos: Siegbert Sappert

Die diesjährige Reise führte 11 unserer Mitglieder im September unter der Begleitung unseres Präsidenten Alexander Graf Kottulinsky in die Ostschweiz und in das Fürstentum Liechtenstein. Die Veranstaltung erfolgte in Kooperation mit der Schweizer Vereinigung „Domus Antiqua Helvetica“ und bescherte den Teilnehmerinnen und Teilnehmern vier unvergessliche Tage in privaten Schlössern und Landsitzen im Alpenlicht.

Von Wien ging es am 19. September per Flugzeug nach Zürich, wo wir am Flughafen vom örtlichen Organisator Ulrich Buhofer herzlichst begrüßt wurden. Gemeinsam mit unseren 14 Schweizer Freunden fuhren wir direkt nach Oberstammheim, wo wir von Fritz Wehrli, dem Eigentümer des ehemaligen herrschaftlichen Landsitzes und heutigen Gasthauses „Zum goldenen Hirschen“, begrüßt wurden. Zu unseren Ehren hatte er die Alphornsolistin Lisa Stoll engagiert, die uns eindrücklich präsentierte, wie vielseitig und melodisch das Alphorn ist.

Das barocke Haus wurde im Jahre 1684 von Vorfahren des heutigen Eigentümers, die u. a. Vögte in der Gegend waren, als fünfgeschossiges Fachwerkgebäude erbaut; dieses wurde zur Zeit des Rokoko durch einen Erker erweitert und bildet heute zusammen mit seinen Nebengebäuden ein komplettes Ensemble, das von ICOMOS sogar als wichtigstes privates Ortsbildschutzprojekt der Schweiz ausgezeichnet wurde. Wehrli ist es gelungen, mit der Gastronomie und 12 Hotelzimmern einen funktionierenden Betrieb in das historische Ambiente zu integrieren, wobei er die Denkmalpflege stets als Partner sieht. Bei der Auftragsvergabe achtet er auf lokale Auftragnehmer, was ihm langfristig in der Region große Akzeptanz und Unterstützung einbringt.

Gestärkt und gut gelaunt fuhren wir anschließend weiter zum prächtigen Schloss Altenklingen in Märstetten, wo wir von der Eigentümerfamilie Zollikofer detailreich in die Geschichte ihres Hauses eingeführt wurden. 1586 wurde an der Stelle einer dortigen Burg in nur 11 Monaten Bauzeit das Spätrenaissance-Schloss nach dem bis heute vorhandenen originalen Architekturmodell des Baumeisters Matthäus Höbel (1540–1605) errichtet. Da der Erbauer Leonhard Zollikofer (1529–1587) trotz zweier Ehen kinderlos geblieben war, stiftete er die bis heute existierende Fideikommiss. Die freistehende Schlosskapelle ist der heiligen Wiborada gewidmet, die u. a. Schutzpatronin der Bibliotheken ist.

Gegen Abend erreichten wir schließlich den bei Zürichern beliebten Kurort Bad Ragaz, wo wir im Hotel „Tamina“ Quartier nahmen. Den Tag schlossen wir mit einem guten Abendessen im Restaurant „Zollstube“ im barocken Palais des Abtes Benedikt Bochsler aus dem Jahre 1774.

Am Freitagmorgen erwartete uns auf Schloss Salenegg in Maienfeld die Hausherrin Helene von Gugelberg. Seit dem Jahre 1068 wird hier Wein angebaut und es gilt daher als das älteste noch bestehende Weingut Europas. Wir erhielten tiefe Einblicke in ihre Herausforderungen als Eigentümerin einer historischen Immobilie wie Brandschutz, veraltete Elektronik, Heizung etc., die mit den unseren in Österreich ident sind. Großen Dank verspürt die Schlossherrin gegenüber ihrem Großvater, der zu Beginn des 20. Jahrhunderts einen bis dahin ungenutzten Teil hinter der langgezogenen barocken Schlossfassade nach damaligen Standards ausbauen ließ. Hier gibt es nun u. a. eine Zentralheizung, Bäder usw., was „ein menschwürdiges Leben ermöglicht“, wie Frau von Gugelberg scherzt. Aktuell baut sie das Weingut ihrer Väter von Pinot Noir auf Spezialitätenweine um, während ihre Kinder schon bereit stehen, den Betrieb zu übernehmen. Es sei erlaubt zu erwähnen, dass wir alle, abgesehen von dem gemütlichen Schloss und der großen, modernen Weinkellerei, vor allem von der Sauberkeit beeindruckt waren. Nicht einmal auf dem Dachboden oder im Turm war eine Spinnwebe zu entdecken. Eine kleine Weindegustation rundete den Besuch gelungen ab.

Danach ging es weiter zum Mittagessen in das nahe gelegene Schloss Brandis in Maienfeld, welches seit 1968 ein Restaurant beherbergt. Dort erhielten wir vom Eigentümer Thomas Zindel ebenfalls einen kurzen geschichtlichen Abriss.

Am Nachmittag wurden wir von Isabelle und Gaudenz von Salis von Graffenried in ihrem Schloss Bothmar im Dorf Malans herzlich willkommen geheißen. Die Führung übernahm der ehemalige Denkmalpfleger des Kantons Graubünden, Dr. Hans Rutishauser. Hier bezauberten uns einerseits die mit wunderschönen alten Buchsbäumen erhaltene barocke Gartenanlage sowie im mit Stuckaturen und Fresken geschmückten Festsaal ein Harfenkonzert des international bekannten Harfenisten Joel von Lerber. Weiter ging es ins „Haus von Moos“ im Dorf, wo uns der Ehrenpräsident von Domus Antiqua Helvetica, Alfred Sulzer, durch sein Haus führte; dieses ist eine äußerst gelungene und gekonnte Verbindung zwischen Modernität und historischer Bausubstanz im Einklang mit heutigen Bedürfnissen. Nach einem gemeinsamen Gläschen Wein im schönen bäuerlichen Garten nahmen wir unser Abendessen im Restaurant „Weiss Kreuz“ ein.

Der nächste Tag führte uns nach Chur, wo uns Dr. Rutishauser die Kathedrale St. Mariä Himmelfahrt näherbrachte. Ihre Ursprünge reichen zurück bis ins 4. Jahrhundert, wobei der heutige Bau von 1150 bis 1272 als spätromanische Pfeilerbasilika errichtet wurde. Der imposante geschnitzte gotische Hochaltar wurde 1486–92 von dem Bildhauer Jakob Russ geschaffen. Darauffolgend erwarteten uns Brigitta und Martin Michel im prächtigen Garten ihres klassizistischen Anwesens „Haus Salis auf dem Sand“. Oberst Rudolf Maximilian von Salis-Soglio (1787–1847) hatte es 1822 erbauen lassen, um komfortabler vor den Toren der Stadt zu leben. Sein Taufpate war König Ludwig I. von Bayern, in dessen Diensten er auch zeitweise stand und der daher auf seinen Reisen nach Italien des Öfteren in diesem Anwesen Station machte.

Zum Mittagessen empfingen uns im Schlosshof von Schloss Ortenstein in Tomils, das bizarr auf einem Felsen steht, die Geschwister Ursula und Lukas Linder. Sie führten uns durch ihr Schloss, dessen Ursprünge als Burg mit dem großen Bergfried bis heute unverkennbar sind und das Bauwerk ungemein spannend machen. Danach ging es nach Paspels ins „Landgut Dusch“, wo uns die Hausherrin Nina von Albertini wiederum vor Augen führte, welch herrlichen Rahmen historische Gemäuer für moderne Kunst in gekonnter Kombination bieten können. Bei einem guten Glas mit hauseigenem Most genossen wir auch hier den Garten und die herrliche Natur der umgebenden Berglandschaft.

Die letzte Tagesstation führte uns zurück nach Chur ins bischöfliche Schloss. Dessen Neukonzeption in den Jahren 1732/33 geht auf den aus Tirol stammenden Bischof Freiherr Joseph Benedikt von Rost zurück und zeigt unverkennbar die architektonischen Ideen seiner Tiroler Heimat, die er in den Bau mit einfließen ließ. Im darin ebenfalls untergebrachten Domschatzmuseum bewegte uns vor allem der Zyklus der Todesbilder von 1543; sie zeigen Darstellungen und Begegnungen von Menschen mit dem Tod und sind als Grisaillen ausgeführt. Als Vorlage diente eine Holzschnittfolge von Hans Holbein d. Jüngeren. Im gotischen Saal der Hofkellerei wurde uns zum Abendessen traditionelle Churer Küche mit Gerstensuppe und Capuns serviert.

Am Sonntag stand für uns dank der familiären Beziehungen unseres Präsidenten der Empfang durch S.D.I.K.H. das Erbprinzenpaar von und zu Liechtenstein im Schloss Vaduz auf dem Programm. Erbprinz Alois und seine Gattin Herzogin Sophie in Bayern berichteten über die Geschichte wie auch über die Herausforderungen mit historischen Gebäuden, die selbst in einem fürstlichen Haus keine anderen sind. Nach einem letzten gemeinsamen Mittagessen im Restaurant „Schloss Sargans“ und dem herrlichen Blick auf die Schweizer Berge ging es per Direktflug wohlbehalten zurück nach Wien.


Das Augustiner Chorherrenstift Herzogenburg

Österreich besitzt eine reiche historische Klosterlandschaft. Die Mehrzahl der prachtvollen Sakralbauten stammt aus der Barockzeit, in der sie eine Blütezeit erlebten und in der Baumeister wie Künstler ihre Architektur und Ausstattung prägten. Viele Klöster wurden nach der Säkularisation einer weltlichen Bestimmung zugeführt. Die aktiven öffnen sich mit einer großen Breite an spirituellen sowie touristischen Angeboten und sind aufgrund ihrer Stille als Orte der Meditation inmitten der Natur gern besuchte Kraftorte.

So präsentiert sich auch das Augustiner Chorherrenstift Herzogenburg als Stätte der Reflexion und für die Gemeinschaft. Die Chorherren nehmen einen festen Platz in der vielfältigen Ordenslandschaft der katholischen Kirche ein. Sie sind keine Mönche, leben aber im Gegensatz zu anderen Priestern wie Mönche in Gemeinschaften zusammen. Sie dienen dem Grundgedanken, einerseits spirituelle Zentren zu sein, andererseits soll sich die Tätigkeit ihrer Ordensmitglieder nach außen auf verschiedene Formen der Seelsorge erstrecken, traditionell auf die Pfarrseelsorge. Das kanonikale Leben erlangte durch den Einfluss des heiligen Augustinus, der Impulsgeber für dieses Leben ist, seine geregelte Form.

Das Stift Herzogenburg ist ein barockes, großzügig proportioniertes Gesamtkunstwerk. Es ist Heimat umfangreicher Kunstsammlungen, bietet Gärten zum Verweilen und ist Ort der niederösterreichischen Kindersommerspiele. Zwischen Krems und St. Pölten gelegen, präsentiert es sich als eine um zwei große, dreigeschossige Höfe gruppierte Anlage mit in den Südflügel integrierter Stiftskirche, nordöstlich imposantem vierflügeligem Meierhof und mit einem Kosmos an Gärten wie dem Prälaten-, Kapitel-, Hofrichter- und Bindergarten sowie dem Nutz- und Obstgarten.

Das Stift blickt heute auf eine über 900-jährige Geschichte zurück und kann seit seiner Gründung Anfang des 12. Jh. durch Ulrich von Passau in St. Georgen an der Traisen eine ununterbrochene, von der Josephinischen Aufhebung verschonte klösterliche Tradition aufweisen.[1] Aufgrund häufiger Überschwemmungen ca. 130 Jahre nach seiner Gründung ins nahe gelegene Herzogenburg verlegt, haben sich von dieser mittelalterlichen Anlage, die im Laufe der Zeit immer wieder Neuerungen erfuhr und schließlich radikal abgebrochen wurde, südlich der Kirche nur mehr Reste in Form eines Gebäudeteiles mit freskiertem Refektorium sowie ein Kreuzgang erhalten.

Sein heutiges Aussehen erhielt das Kloster mit der barocken Neugestaltung. Im Sog einer damals allseitig vorherrschenden Bauleidenschaft entstand ab 1714 der monumentale Klosterbau unter drei Pröpsten. Pläne und Bauleitung der Barockisierung wurden Jakob Prandtauer übertragen und nach dessen Tode im Jahr 1726 von Joseph Munggenast vollendet. Vom wohl bekanntesten Barockbaumeister, dem kaiserlichen Architekten und auf der Höhe seiner Karriere stehenden Johann Bernhard Fischer von Erlach, stammen gestalterische Elemente wie das Treppenhaus oder die Durchfahrt im Nordtrakt, vor allem aber der zweigeschossige Festsaal im Osttrakt, der auf die Initiative des damaligen Propstes zurückgeht. Dieser Saal wurde entgegen der ursprünglichen Planung so eingefügt, dass der ausgreifende fünfachsige Mittelrisalit im homogenen, flächigen Wandsystem Prandtauers etwas fremd erscheint. Das Innere des Saales schmückt neben einer reichen Architektur- und Ornamentausstattung ein von Bartolomeo Altomonte 1772 freskiertes Spiegelgewölbe, das die Verherrlichung der Stiftsgründung thematisiert.

Alle Trakte sind dreigeschossig: Jene um den östlichen Hof (Augustini- oder Prälatenhof) gehören dem Repräsentationsbereich mit Prälatur, Festsaal, Bildersaal, Chorkapelle, den Gastzimmern sowie den Kunstsammlungen an. Jene um den westlichen Hof (Emmerichshof) bergen die Klausur samt Refektorium sowie die Stiftskirche. Zu den barocken Räumen führt die unter gestalterischer Beteiligung Fischer von Erlachs ab 1732 eingebaute Prälatenstiege. Im Deckenfresko von Bartolomeo Altomonte wird die Übertragung des ursprünglichen Stiftes nach Herzogenburg thematisiert.

Die malerisch ornamental ausgestaltete Chorkapelle ist den Mitgliedern der klösterlichen Gemeinschaft zum Gebet vorbehalten. Hier befinden sich in den Kartuschenfeldern der Kuppel die Fresken von Johann Martin Schmidt mit Szenen aus dem Marienleben, das Altarblatt stammt von Martino Altomonte. Hervorzuheben ist auch die Klosterbibliothek, die nicht nur durch ihre ornamentale Rokokomalerei sowie ihre Scheinkuppeln, sondern auch als Verwahrort von Handschriften und Inkunabeln besticht. Im ehemaligen Gästetrakt sind die beeindruckende Kunstsammlung mit dem Schwerpunkt auf Tafelbilder, u. a. aus der Donauschule, Skulpturen und Glasfenster sowie eine umfassende Barocksammlung untergebracht. Paramente und Kultgegenstände beleben die Schatzkammer; eine reichhaltige Sammlung bietet auch das Münzkabinett. Einen Glücksfall stellt ein vollständig erhaltener stuckierter Bildersaal im Nordtrakt dar. Mit weit über hundert Kopien nach alten Meistern des 16. bis 18. Jh. wurden die Wände im Sinne einer barocken Hängung zwischenraumlos austapeziert. Er ist einer der letzten, denn vergleichbare Bildersäle anderer Stifte wurden aus Geschmacksgründen im vorletzten Jahrhundert aufgelöst.

Die Grundsteinlegung zum Neubau der Kirche erfolgte im Jahr 1743 unter Einbeziehung gotischer Substanzen wie bspw. des Portals und wurde nach dem Tod Prandtauers von Joseph Munggenast errichtet. Jenseits jeglicher barocken Symmetrie ist sie nicht im Zentrum, sondern aufgrund geplanter, jedoch nicht ausgeführter weiterer Höfe in die Südachse integriert; vollendet hat sie sein Sohn Franz. Vergleichbar einem weit verbreiteten Thema dieser Zeit liegt dem Raumschema auch hier die Synthese zwischen Longitudinal- und Zentralraum zugrunde. Die Kirche ist reich ausgestattet mit illusionistischer Architektur- und Ornamentmalerei, die u. a. von Thomas Mathiowitz[2] stammt. Bartolomeo Altomonte schuf die Fresken im Kirchenschiff und die Bilder der Seitenaltäre; das Altarblatt sowie die Fresken im Altarraum sind Schöpfungen von Daniel Gran. Der aufragende Turm wurde nach Plänen von Matthias Munggenast in etwas abgeänderter Form von Melchior Hefele ausgeführt. Auch von Bernhard Fischer von Erlach existiert dazu ein Entwurf, dieser wurde aber entgegen bisheriger Meinung nicht realisiert.[3]

Zum 900-jährigen Jubiläum fand 2012 die größte Renovierung seit dem barocken Umbau statt. Dabei wurden die komplette außenliegende Fassade sowie Teile in den Innenhöfen restauriert und die historischen Gärten, vor allem der barocke Prälatengarten, revitalisiert, ebenso die Innenbereiche wie der Festsaal, die Schauräume der Kunstsammlungen, die Kapellen sowie die Stiftsbibliothek einschließlich ihres Buchbestandes.

Zur Erhaltung dieses kulturellen Erbes werden die Erträge aus der stiftlichen Wirtschaft verwendet. Zum Kloster gehören ca. 400 ha Ackerflächen, ca. 2100 ha Wald und ca. 30 ha Weingärten.

www.stift-herzogenburg.at

Literatur:

Huberta Weigl, Jakob Prandtauer 1660–1726. Baumeister des Barock, Band 1, Petersberg 2021

DEHIO-HANDBUCH NIEDERÖSTERREICH südlich der Donau, Teil 1, Horn/Wien 2003

[1] Das ehemalige Augustiner Chorherrenstift Dürnstein wurde nach seiner Aufhebung 1788 dem Stift Herzogenburg inkorporiert.

[2] Er war auch im Kellerschlössel in Wielandsthal tätig.

[3] Vgl. dazu: Huberta Weigl, Jakob Prandtauer (1660–1726). Baumeister des Barock, Band 1, Petersberg 2021, S. 375–376.


Propst MMag. Petrus Stockinger im Gespräch

Interview: Therese Backhausen

Sie leiten seit fünf Jahren als Propst die Geschicke des Stiftes Herzogenburg. Wie lässt sich das geistliche Amt mit all der wirtschaftlichen Verantwortung vereinbaren?

Dies ist insofern nicht schwierig, als es zwei Seiten einer Medaille sind. Als Propst eines solchen Klosters trägt man die Verantwortung nicht in erster Linie für die 900-jährige Tradition, sondern dafür, dass diese Tradition heute gelebt wird und an die nächste Generation weitergegeben werden kann. Dazu gehört natürlich auch, das Stift wirtschaftlich verantwortungsvoll zu führen. Ja, das Stift ist ein Wirtschaftsbetrieb, der unter anderem auch Arbeitgeber ist und für das Umland eine bedeutende Institution darstellt. Es ist als Propst natürlich nicht meine Hauptaufgabe, den Wirtschaftsbetrieb im Detail zu führen – dafür gibt es einen unmittelbar zuständigen Mitbruder sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Aber die Letztverantwortung liegt bei mir. Die Wirtschaft dient letztlich dem Ziel, dass wir als Stift unseren geistlichen Auftrag erfüllen können. Die Verantwortung eines Ordensoberen ist ein Gesamtpaket, die Wirtschaft ist ein Teil davon.

Was hat das Stift Herzogenburg zu bieten?

Die Menschen kommen heute in die Klöster, um zu sehen, dass es uns tatsächlich noch gibt, und um sich anzusehen, wie wir leben. Was das Stift Herzogenburg bieten kann, ist zum Beispiel, dass hier vor Ort eine Klostergemeinschaft existiert, die eine doch recht konstante Größe aufweist. Derzeit sind wir 15 Mitbrüder. Die Gäste, die zu den Stiftsführungen kommen, können während der Saison täglich gemeinsam mit uns das Mittagsgebet beten. Das ist für viele Menschen, wie wir den Reaktionen entnehmen können, ein absolutes Highlight! Bei uns sind also nicht nur kostbare Räume und Objekte zu sehen, sondern es ist auch eine geistliche Gemeinschaft wahrzunehmen. Menschen haben heute eine deutlich erkennbare Sehnsucht nach geistlicher Heimat. Alles ist im Fluss, alles ändert sich ständig, alles muss immer dynamisch sein. Gerade deshalb gibt es diese Sehnsucht nach einem Anker, den ein 900 Jahre altes Kloster natürlich darstellen kann. Gemeinsam zu beten oder dann vielleicht auch mit einem Mitbruder ein paar Worte zu sprechen, das ist für viele Menschen eine schöne Erfahrung und das können wir in Herzogenburg bieten. Man muss aber auch sagen, wir sind touristisch nicht so groß aufgestellt wie zum Beispiel das Stift Melk, wo das in dieser Form unmöglich wäre. Da wären die Mitbrüder den ganzen Tag nur damit beschäftigt, mit Touristen zu sprechen. Es gibt auch Klöster, in denen die Kommunität so klein ist, dass sie sich nicht noch dem Tourismus widmen kann. Ich würde sagen, in Herzogenburg stimmt das Angebot aus Künstlerischem und Geistlichem, aus Tradition und Gegenwart, was von vielen Menschen als anziehend erlebt wird. Nicht umsonst werden wir deshalb auch ein wenig als Geheimtipp gehandelt, denn den Besucherzahlen nach betrachtet stehen wir natürlich im Schatten von Melk oder Göttweig. Aber für die Menschen, die an den Details interessiert sind, hat Herzogenburg sehr, sehr vieles zu bieten.

Finden Sie genug neue Chorherren, um den Fortbestand des Stiftes zu sichern?

Ich bin jetzt seit fünf Jahren Propst dieses Hauses und habe von meinem Vorgänger Maximilian Fürnsinn, der ja in der österreichischen Kirche sehr bekannt ist und 40 Jahre lang diesem Haus vorgestanden ist, zwei Dinge übernommen, für die ich sehr dankbar bin: Das Erste ist, dass er das gesamte Gebäude restauriert hat. Das bedeutet, ich muss mir nicht täglich Sorgen darum machen, wie es mit dem großen barocken Stiftsgebäude weitergeht. Das viel Wichtigere ist aber, dass er einen konsolidierten Konvent übergeben hat. Das heißt, wir sind zwar nicht überragend viele – Herzogenburg hatte in seiner ganzen Geschichte mit ein paar Ausreißern immer so zwischen 15 und 20 Mitbrüder –, aber da dürfen wir mit heute 15 Mitbrüdern sehr zufrieden sein. Dazu haben wir auch einen beachtlich guten Altersschnitt. Daraus ergibt sich für mich als Ordensoberen eigentlich das Allerwichtigste: Ich muss nicht jeden Tag darüber nachdenken, wie wir gerade noch so irgendwie überleben können. Mir ist bewusst, dass ich mich in diesem Punkt im Vergleich zu etlichen anderen Ordensoberen in einer luxuriösen Position befinde. Das schenkt aber eben auch eine gewisse Leichtigkeit, eine gewisse Freiheit, die ihrerseits wiederum anziehend wirken kann. Außerdem sehe ich die jungen Mitbrüder, die jetzt in Herzogenburg sind und die sich in Ausbildung befinden, als gutes Zukunftsversprechen für unser Haus.

Welche Bedeutung – ideell, kulturell und wirtschaftlich – hat das Kloster für die Bevölkerung und für die Region?

Das Stift Herzogenburg erfüllt zumindest zwei Aufgaben hier in der Region, die, wie ich denke, miteinander zusammenhängen: Die erste ist, wie schon gesagt, ein gewisser Anker zu sein. Wir bieten Kontinuität. Selbst Menschen, die mit der Kirche wenig anfangen können, wissen doch, dass es hier ein Haus gibt, auf das man sich verlassen kann, das nicht morgen in einen Billiglohnbereich abwandern wird oder sich sonst wie in unvorhergesehener Weise plötzlich verändert. Gleichzeitig ist das Stift Herzogenburg auch eine Institution, die sich immer wieder bewusst öffnet und damit für die gesamte Region wichtige Impulse gibt. So finden bei uns zum Beispiel alljährlich Ende August, Anfang September die Niederösterreichischen Kindersommerspiele statt. Die gibt es seit mittlerweile über 50 Jahren. Sie haben sich aus einem Spielefest der Pfarre entwickelt und sind inzwischen Anziehungspunkt für knapp 20.000 Personen innerhalb von 6 Tagen. Hier kommt dem Stift die Aufgabe zu, als Plattform verschiedenste Menschen zusammenzubringen. Dafür sind viele sehr dankbar, und dieser Dank wird mir gegenüber oft ausgesprochen. Für mich ist es schön, dass dies jedes Jahr gelingt, und ich schaue dankbar auf die viele Arbeit, die für dieses Fest ehrenamtlich geleistet wird. Natürlich haben die Kindersommerspiele auch eine gewisse religiöse Komponente. Das ist wiederum eine Möglichkeit, dass wir als Seelsorger zu den Menschen kommen und dass sie dadurch auch wieder für Religion, für Kirche ansprechbar werden. Die Bedeutung des Stiftes liegt also einerseits in der Kontinuität und andererseits in der Offenheit dafür, Plattform zu sein für Begegnungen, damit hier auch in Zukunft alle gut miteinander leben können.

Wie war das historisch? War immer alles positiv oder gab es auch Zeiten, die für die Klostergemeinschaft schwierig waren?

Wenn man sich den Problemen von heute stellen will, tut es meist gut, in der Geschichte zurückzublicken. Das macht einen ganz schön gelassen! Immer, wenn man zum Beispiel meint, wir würden in einer schlechten Zeit leben oder Grund zum Jammern haben, dann realisiert man rasch: Es gab beileibe schon viel, viel schlechtere Zeiten als heute. Das ist für mich gleichermaßen ein Ansporn für gegenwärtige Herausforderungen. Es ist in viel schlechteren Zeiten gelungen, die Kommunität, das Haus und alles, was dazugehört, weiterzuführen. Dann wird uns das in Gottes Namen im besten Sinne des Wortes auch heute gelingen! Betrachtet man manche Themen im Detail, so sieht man natürlich, dass zum Beispiel das Stift, solange die Grundherrschaft aufrecht war, in viel stärkerem Maße auch eine politische Macht ausgeübt hat. Die Menschen wurden damals mit Sicherheit nicht so auf Augenhöhe betrachtet, wie das heute der Fall ist. Man muss also ehrlich sagen: Man kann froh sein, dass in Österreich seit gut 170 Jahren die Grundherrschaft in ihrer klassischen Form nicht mehr existiert. Dies ermöglicht uns gegenwärtig sicherlich in einem viel höheren Ausmaß als früher das, was wir heute als „Seelsorge“ bezeichnen.

Oder ein anderes Thema: Vor Kurzem erst haben wir zum Beispiel im Stift 300 Jahre Verbrüderung mit den Chorherren vom Lateran in Rom gefeiert. Nach außen ist das unspektakulär, für das Stift aber ist es wichtig, denn da sieht man, wie Herzogenburg vor gut 300 Jahren – und es gab zudem vorher immer schon derartige Bestrebungen – auch international vernetzt sein wollte, was eben dazu führte, dass man eine Verbrüderung mit Rom einging. Das war kein Zufall, sondern man wollte sich damals bewusst von den Einflüssen des österreichischen Herrscherhauses unabhängiger machen, wollte sich stärker geistlich verankern. Hier gibt es also viele interessante Punkte, denen man nachspüren kann, und wir haben das Glück, dazu im Stift Herzogenburg über ein außerordentlich großes und gut erschlossenes Stiftsarchiv zu verfügen. Die Geschichte kann eine gute Lehrmeisterin sein – man muss sich nur die Zeit nehmen, sich auf sie einzulassen. Dann lernt man viel auch für das Heute.

Welche Rolle spielt das Kloster für den Tourismus?

Ich habe das Glück, dieses Thema quasi mit zwei Standorten bespielen zu können, denn uns gehört seit dem Jahr 1786 auch das Stift Dürnstein, das mit dem berühmten blauen Kirchturm mitten in der Wachau eine Ikone des österreichischen Tourismus darstellt. In Herzogenburg ist der Tourismus bedeutend weniger. Zwar kommen schon einige Tausend Besucher pro Jahr, aber es ist jetzt nicht der ganz große Wirtschaftsfaktor. Für uns geht es hier auch weniger darum, aus dem Tourismus finanzielle Mittel zu schlagen. Es geht vielmehr darum, das Haus zu öffnen und natürlich mit den Mitteln, die dabei verdient werden, dazu beizutragen, das ganze Haus auch zu erhalten. Aber der Tourismus ist für uns im Gesamten jetzt nicht so bedeutend, wie dies zum Beispiel zweifellos für das Stift Melk der Fall ist. Ich persönlich bin ganz froh, dass wir ein wenig abseits der großen Tourismuspfade leben, aber klar ist auch, dass meine Verantwortlichen im Tourismus das völlig anders beurteilen würden! Für sie ist natürlich jeder Gast jemand, der Geld mitbringt. Man muss das allerdings schon auch mit Blick auf die Klostergemeinschaft sehen: Sie hat einen geregelten Tagesablauf, sie braucht auch Ruhe und Rückzug. Da ist es gut, dass sich der Tourismus in Herzogenburg auf einem Niveau befindet, das mit der Klostergemeinschaft und der geistlichen Atmosphäre gut vereinbar ist. Wer zu uns kommen und sich zum Beispiel im Rahmen einer Stiftsführung davon überzeugen will, ist herzlich willkommen!

Wie werden eigentlich im Kloster wichtige Entscheidungen getroffen?

Eine klösterliche Institution ist von ihrem Selbstverständnis her viel demokratischer, als außenstehende Menschen zumeist meinen. Es gibt die Vollversammlung der Mitbrüder, das sogenannte „Kapitel“, in dem wichtige Entscheidungen getroffen werden. Dies ist vergleichbar mit dem Nationalrat, der ja in Österreich das höchste gesetzgebende Gremium ist. Dieses Kapitel, das Plenarkapitel, trifft sich circa viermal im Jahr, und anhand der vorher ausgesandten Tagesordnung können sich die Mitbrüder schon im Vorfeld mit den jeweiligen Punkten auseinandersetzen, sodass dann eigentlich die Entscheidungen dort in den meisten Fällen relativ zügig vonstattengehen. Dann gibt es einen Ausschuss, das ist der sogenannte Kapitelrat, in dem viel weniger Mitbrüder sitzen. Auch dieser tagt circa vier- bis fünfmal pro Jahr, wobei man sich kleineren Fragen widmet, bei denen es nicht notwendig ist, die Vollversammlung der Mitbrüder einzuberufen. Das heißt, das Plenarkapitel und der Kapitelrat sind die beiden Gruppen, in denen wichtige Entscheidungen getroffen werden. Ein konstruktiver Aspekt besteht sicherlich auch darin, dass wir einander alle kennen und dass im Grunde auch alle Mitbrüder zumeist grundsätzlich mit der ganzen Materie vertraut sind.

Dann kommt überdies etwas zum Tragen, was man sich, so denke ich, auch von der Politik manchmal wünschen würde: Man bringt klugerweise kein kontroverses Thema in eine Sitzung, das man nicht vorher schon zwei-, dreimal bei Tisch oder im kleinen Rahmen ein wenig andiskutiert hat, um die Meinungen und Fragestellungen abschätzen zu können. So lassen sich in zwangloser Atmosphäre die Dinge durchbesprechen, und dann kann man in der eigentlichen Sitzung rasch und gut zu einer Entscheidung kommen. In den allermeisten Fällen werden Abstimmungen einstimmig gefällt, und darauf bin ich schon etwas stolz, denn es zeugt von einer gewissen Einmütigkeit unter den Mitbrüdern. Der Weg dahin ist manchmal etwas mühsam, aber es ist wichtig, dass in einem solchen Haus – wir sind, wie gesagt, 15 Mitbrüder – die Linie im Großen und Ganzen von allen mitgetragen wird. Sonst entsteht Unzufriedenheit unter den Mitbrüdern oder manche ziehen sich zurück und hören auf, sich mit dem Ganzen zu identifizieren. Das wäre für die Gemeinschaft eines Klosters gefährlich!

Wie sieht ein typischer Tagesablauf des Propstes von Stift Herzogenburg aus?

Mein eigener Tagesablauf unterscheidet sich in weiten Teilen eigentlich nicht von dem der Mitbrüder. Ich stehe am Morgen um 5:50 Uhr auf, um 6:30 Uhr findet das Morgengebet statt, danach folgen die Heilige Messe und das Frühstück. Dann ist Arbeitsbeginn. Ich setze mich dazu in der Regel gleich einmal an den Schreibtisch, denn auch bei uns im Haus werden mittlerweile die meisten Dinge per Mail ausgetauscht. Das wird dann abgearbeitet, und ehe man es sich versieht, ist der Vormittag gelaufen. Hierbei bemühe ich mich darum, eine Arbeitsordnung zu übernehmen, um die sich auch mein Vorgänger immer bemüht hat. Der Vormittag gehört dem Büro, dem Organisatorischen, den wirtschaftlichen Dingen, während der Nachmittag viel stärker dem geistlichen Akzent meines Berufes gewidmet ist: dem Lesen, dem Schreiben von Predigten und so weiter. Man muss das auch wirklich trennen, denn natürlich könnte man sich den ganzen Tag lang mit den strukturellen Dingen beschäftigen. Hier aber eine gewisse Disziplin zu haben – am Vormittag die Organisation, am Nachmittag das Geistliche –, das tut schon gut, wenngleich es nicht immer einfach ist. Mein Vorgänger war 40 Jahre lang im Amt. Ich habe ihn einmal gefragt, wie lange er darum gerungen hat, dass diese Ordnung für ihn dann auch wirklich ganz selbstverständlich wurde. Er hat gelächelt und geantwortet: „40 Jahre.“ Es ist also wirklich eine tägliche Herausforderung. Mittags folgen das Mittagsgebet und das Mittagessen, abends um 18 Uhr das Abendgebet und das Abendessen. Die Abende selbst sind dann sehr unterschiedlich. Wenn man in der Seelsorge tätig ist, ist ganz klar, dass man vielen Sitzungen sowie dem Pfarrgemeinderat und dergleichen verpflichtet ist. Auch ein Taufgespräch bei einer Familie wird in den meisten Fällen am Abend stattfinden, weil dann alle Beteiligten die Zeit finden, zusammenzukommen. Somit ist es nicht selten so – und darunter leide ich, darunter leiden auch viele Mitbrüder –, dass man in manchen Wochen froh sein muss, wenn man einen einzigen freien Abend hat, an dem man zu Hause sein kann und hier in Ruhe entweder einmal nichts tut oder dann jene Mails oder Post aufarbeitet, für die vorher keine Zeit war. So ungefähr gegen 22 oder 23 Uhr geht dann der Tag zu Ende. Es ist also ein Tag wie für viele andere Menschen auch, die um Balance im Leben ringen. Angenehm für mich ist natürlich, dass ich im Regelfall für meine Arbeit tagsüber das Haus nicht verlassen muss. Davon abgesehen ergibt sich also für mich, wie ich denke, ein recht unspektakulärer Tagesablauf. Viele Menschen können sich wenig darunter vorstellen, was man hier den ganzen Tag so tut. Zu den Gästen sage ich gerne: „Es ist ganz einfach: Bitte stellen Sie sich den Tagesablauf im Kloster viel normaler vor, als Sie das üblicherweise tun.“

Ein Kloster ist ja eine äußerst schützenswerte Anlage. Gibt es Probleme, wenn etwas umgestaltet werden soll? Wie verläuft die Zusammenarbeit mit dem Bundesdenkmalamt?

Die Zusammenarbeit mit dem Bundesdenkmalamt gestaltet sich für uns weitgehend unproblematisch, einfach weil wir bereits eine jahrzehntelange Partnerschaft haben. Es gibt jedes Jahr im Herbst eine Sitzung, in der der Arbeitsumfang und die Projekte für das Folgejahr festgelegt werden. Da treffen dann einander immer wieder die gleichen Zuständigen, und das empfinde ich als sehr wohltuend. Man baut ja auch gegenseitig eine Vertrauensbasis auf, und auf dieser Grundlage lässt es sich dann gut arbeiten. Dazu gehört auch, dass wir hier im niederösterreichischen Zentralraum über eine große Anzahl von handwerklichen Spezialisten verfügen, die uns in die Lage versetzen, das Haus in einem Zustand zu erhalten, der gleichzeitig sowohl dem Denkmalschutz als auch den modernen Nutzungsanforderungen entspricht. Wir dürfen glücklich sein, dass es diese Handwerkskünstler noch gibt! Ich betone „noch“, denn manchmal stellt sich die Frage nach dem Nachwuchs hier ganz deutlich, egal ob es sich um Tischlerarbeiten, Stuckrestaurierungen oder metalltechnische Arbeiten und dergleichen handelt. Wir haben in unserem Land wirkliche Spezialisten, auf die wir sehr, sehr stolz sein können und die wir auch, so muss man es sagen, auf Händen tragen müssen. Denn es ist überhaupt nicht selbstverständlich, dass es diese Menschen, die mit so großer Leidenschaft und Sachkenntnis diese Projekte tatsächlich realisieren können, überhaupt gibt.

Es gibt ja die bekannte Fernsehsendung „Herrschaftszeiten!“. Angedacht ist jetzt eine Sendung, die „Herrgottszeiten!“ heißen soll. Würden Sie da mitmachen?

Ich denke, Sie stellen diese Frage, weil Sie vielleicht sogar schon etwas mehr wissen als ich. Es wird ja dort und da auch schon davon gesprochen. Ja, ich habe demnächst einen Termin – einen unverbindlichen Dialog – mit den Sendungsverantwortlichen, und wir werden schauen, ob wir unsere Vorstellungen gut zusammenbringen. Ich würde mich freuen, wenn es gelingt, und ich denke, auch sie würden sich freuen, sonst wäre ich nicht gefragt worden. Dann kann ja eigentlich nicht mehr sehr viel schiefgehen! Aber ein solches Projekt ist für uns ein großer Schritt. Die Sendung „Herrschaftszeiten!“ ist bisher ja doch davon getragen, dass die betreffenden Familien immer sehr tiefe Einblicke in ihren Alltag und auch in ihren Privatbereich gegeben haben. Das stellt für ein Kloster eine Herausforderung dar – aber warum auch nicht? Wir haben nichts zu verstecken, insofern würde ich mich freuen, wenn es zustande kommt, und sehe den ersten Gesprächen zu diesem Thema mit Zuversicht entgegen.

Welche Visionen haben Sie noch für das Stift Herzogenburg?

Meine Vision ist ganz einfach, und zwar, dass im besten Sinne des Wortes alles so bleiben kann, wie es ist, auch wenn gleichzeitig klar ist, dass sich dafür sehr vieles ändern muss. Das heißt, das Haus ist weiterhin gut hier in der Bevölkerung, in der Gegend verankert. Wir sind personell und wirtschaftlich in der Lage, unsere Aufgaben auch in Zukunft zu erfüllen. Das Haus kann es sich leisten, weiterhin so offen zu sein, wie es dies bisher ist. Das sind meine Visionen – also eigentlich nichts Neues, sondern immer das, was wir bereits seit 900 Jahren tun. Im Grunde waren das schon immer die Ziele und es mussten stets neue Wege gefunden werden, diese zu realisieren. Die Ideen bleiben somit die gleichen, die Wege werden sich ändern. In jedem Fall bleibt die Zukunft spannend!

Ich danke Ihnen vielmals, dass Sie sich die Zeit für dieses Gespräch genommen haben.



Owners’ Circle von 19. bis 22. September 2024 in Italien

Text und Fotos: Cosima Norman

Mit großer Freude durfte ich der Ehre nachkommen, Österreich beim vergangenen EHH Owners’ Circle Congress 2024 zu vertreten. Als Neuling in Ihren Kreisen überließ ich das Sprechen bei der Konferenz zwar den anderen, doch ich habe während der Reise eifrig für Sie mitgeschrieben, um Ihnen einen Einblick in die Geschehnisse zu gewähren.

Meine Reise begann mit einer wahren Odyssee. Anstelle des geplanten „Dinner by the Sea“ erlebte ich eine achtstündige Irrfahrt durch Italien, die Hochwasser, vergessenes Gepäck und falsche Zugverbindungen beinhaltete. Obwohl mich diese Fahrt eigentlich nur zweieinhalb Stunden hätte kosten dürfen, war ich äußerst positiv gestimmt: Nun, da ich den monströsen Berg (Ascoli Piceno) endlich erklommen hatte, konnte mich nichts mehr überraschen, und jede Nervosität, welche ich anfangs innegehabt hatte, war verflogen.

Am nächsten Morgen erwachte ich im charmanten B&B „Nella Torre“, wo ich den wohl köstlichsten Zitronencremekuchen meines Lebens genoss. Gestärkt begab ich mich mit einer Reihe äußerst sympathischer Owners auf die faszinierende Stadtführung.

Ascoli Piceno, diese Stadt der hundert (oder waren es zweihundert?) Türme, offenbarte sich als ein lebendiges, in Stein gemeißeltes Geschichtsbuch. Überall in den Hausgemäuern konnte man noch die Tempel und Paläste unserer römischen Vorbesatzer erahnen. Ein besonderes Highlight war der Besuch des Castel di Luco. In diesem majestätischen Gemäuer, umgeben von der pittoresken Landschaft von Le Marche, fühlte ich mich wahrlich in eine andere Zeit versetzt. Der Aperitivo und das anschließende Dinner ließen mich die Gastfreundschaft der italienischen Aristokratie hautnah erleben.

Der Höhepunkt meiner Reise war zweifellos die Konferenz im Auditorium Emidio Neroni. Hier offenbarte sich mir die wahre Bedeutung historischer Immobilien für unsere Gesellschaft. Von der Bewahrung kulturellen Erbes bis hin zur nachhaltigen Regionalentwicklung – die Vorträge waren ebenso informativ wie inspirierend. Besonders beeindruckt hat mich die Geschichte der jungen Unternehmerin Jessica Flore Angel, die mit nur 26 Jahren ein Château renovierte und damit eine ganze Region wiederbelebte. Aber das war nur eine von zahlreichen Geschichten und Einblicken in die Welt der historischen Gebäude. Manchmal bedarf es der Pflege und Hingabe von alten Werten, gezuckert mit neuem Denken und einem respektvollen Umgang seiner Umwelt – und schon kann man beobachten, wie man dadurch ganze Ökosysteme positiv beeinflusst.

Es folgte der exklusive Galaabend in der Civic Picture Gallery von Ascoli Piceno – ein wahres Fest für die Sinne! Umgeben von Kunstwerken vergangener Epochen und gekleidet in feinsten Zwirn fühlte ich mich fast, als wäre ich Teil einer Szenerie der Gemälde, die uns in dem Festsaal umgaben.

Zum Abschluss besuchten wir das Borgo Storico Seghetti Panichi, wo uns ein faszinierendes Restaurierungsprojekt vorgestellt wurde. Hier wurde mir endgültig klar: Die Pflege historischer Häuser ist keine Nachahmung der Vergangenheit, sondern eine kreative Neuinterpretation unseres kulturellen Erbes.

Beinahe hätte ich mir voller Euphorie auf der Heimreise selbst ein historisches Anwesen gekauft! Doch auch ohne eigenes Schloss nehme ich wertvolle Erkenntnisse mit: In einer Welt, die sich ständig wandelt, sind es Orte wie diese, die uns Halt und Identität geben. Sie zu bewahren ist nicht nur eine Pflicht, sondern ein Privileg.

Mit größtem Respekt und neu entfachter Begeisterung für Ihr edles Anliegen,

Ihr hinzugewonnener Enthusiast der historischen Baukunst


Kulturelles Wochenende der NextGen Österreich in Kärnten

Text: Helene und Caroline Wirth


Zwischen Architektur, Kunst und Garten

Text: Therese Backhausen

Fotos: Yvonne Oswald

Dass es dem, der einen Garten und eine Bibliothek hat, an nichts fehlt, sagte schon Cicero. Besitzt er dazu noch ein Landhaus voll mit Kunstwerken, dann hat er jenes visuelle Ereignis, wie es Dr. Otmar Rychlik in seinem Haus in Bad Vöslau erleben darf. Haus und Garten sind funktional und ästhetisch so geplant, dass sie sowohl ein friedliches Eintauchen in die Rhythmen der Natur ermöglichen als auch Begegnungsstätte hochkarätiger Kunst sind.

Schon während seiner Zeit im Gymnasium entdeckte der spätere renommierte Kunsthistoriker seinen Sammlerinstinkt. Unterstützt von der Mutter, begann er früh, kleinere Dinge wie Druckgrafiken oder Zeichnungen zu erwerben. Später, nach dem Studium, wollte er als Kunsthistoriker immer selbstständig bleiben. Er arbeitete viel mit und für Künstler, insbesondere mit Arnulf Rainer, dessen wissenschaftlicher Mitarbeiter er war, und Hermann Nitsch. So kam es dazu, dass er neben seiner beruflichen Tätigkeit als Hochschullehrer und Ausstellungskurator umfangreich weitersammelte und mit vorwiegend österreichischer Kunst ab Amerling und Romako über Zeichnungen von Klimt und Schiele weiter zu Nitsch und Rainer bis zu den unmittelbaren Zeitgenossen Christian Hutzinger und Siggi Hofer eine hochkarätige Sammlung aufbaute.

Für seine große Leidenschaft benötigte Rychlik alsbald auch einen Rahmen. Diesen fand er vor dreißig Jahren in einem ursprünglich nicht miteinander verbundenen dreiteiligen Ensemble, das bis zum Anfang des 19. Jh. zurückreicht: Der älteste Teil ist das sogenannte Weinstöckl aus dem Jahr 1820, der lange Haupttrakt datiert zurück auf das Jahr 1860 und der Gesindetrakt wurde um 1900 errichtet. Otmar Rychlik verband in einem ersten Schritt diese Häuser mittels Durchgängen und Türen; im Zuge dessen ergab sich ein großer zentraler Raum, den er heute für sein „Hausmuseum“ nützt und in dem er mehrmals im Jahr thematische Umhängungen vornimmt. Rychlik adaptierte sämtliche Räume und ließ Fenster wie auch Türen ihrem ursprünglichen Erscheinungsbild entsprechend wiederherstellen. Erst in den letzten Jahren wurde das Haus einem Relaunch unterzogen. Dazu ließ er den Dachboden des gartenseitigen Traktes vom renommierten Architekten und österreichischen Staatspreisträger Hermann Czech zu einer Bibliothek mit axial auf Türen und Fenster ausgerichteten Dachgaupen und einem Türmchen ausbauen. Von diesem kann er jetzt aus der geländebedingten tiefen Lage des Hauses den Garten und die umliegende Gegend herrlich überblicken. Warum er einen führenden österreichischen Architekten engagierte? Rychlik war mit ihm bekannt und außerdem wollte er neben seiner Sammlung von Bildern und Skulpturen auch ein bedeutendes Stück Architektur besitzen.

Der alte Baumbestand im Garten blieb großteils erhalten, ein entfernterer Teil wurde wie ein Wäldchen angelegt; zudem wurden ein Palmenhaus und ein traditionelles Holzgartenhäuschen neu geschaffen. Es ist dies ein Landschaftsgarten, den ein Obelisk zum Gedenken an seine Eltern sowie andere Zierrate schmücken und in den sich das Haus sehr harmonisch einschmiegt.

Otmar Rychlik geht es in seinem Haus um das Verständnis von Raum und darum, wie man diesen mit Kunst gestalten und auch aktivieren kann. Die Räume überspannen die letzten 200 Jahre, und zwar von der Architektur über die Möbel bis hin zur zeitgenössischen Kunst. Es geht ihm aber auch darum, Kunst zugänglich zu machen. Es ist ein Anwesen zum Erwandern, Verweilen, Innehalten, Betrachten, Wahrnehmen und Erfreuen.

Und als Kunstwissenschaftler und leidenschaftlicher Büchermacher mit zahlreichen Publikationen beherbergt er in seinem Haus natürlich ebenso eine umfangreiche Bibliothek.

Was sollte ihm da noch fehlen?


Schlösserstraße soll Kulturroute werden


Buchempfehlung

Bundesdenkmalamt (Hg.)

Fundberichte aus Österreich, Band 60

Archäologie und Bauforschung in Österreich 2021

1. Auflage, 2024

Nach längerer Erscheinungspause präsentieren sich auch die FÖ nunmehr mit dem Jubiläumsband 60 in neuem Layout. Das reich bebilderte Buch beinhaltet neben dem Jahresrückblick der Abteilung für Archäologie des Bundesdenkmalamtes zwei Aufsätze zu den Themen „Modellversuch zur Nutzung von Fundstellen-IDs des Bundesdenkmalamtes als ›Gazetteer‹ für museale archäologische Inventare“ und „Zehn Jahre Neuausrichtung der Fundberichte aus Österreich – Bilanz und Ausblick“. Neben zwei Tagungsberichten finden sich weiters sieben umfangreichere Beiträge zu völkerwanderungszeitlichen Bestattungen aus Weiden am See, zum „Goldenen Ofen“ aus dem Stift Altenburg, zum spätantiken Gräberfeld Süd von Mauer bei Amstetten, zu neuzeitlichen Feuerschlag- und Flintensteinen aus Aschach an der Donau, zu einem spät-La-Tène-zeitlichen Edelmetallhort aus Neumarkt am Wallersee, zu bronzezeitlichen Einzeldeponierungen und Gräbern aus dem Ausseerland und zu aktuellen Grabungsergebnissen aus dem römischen Bregenz. Zusätzlich enthält der Band zahlreiche Berichte zu den archäologischen Maßnahmen, Fundmeldungen, bauhistorischen Untersuchungen und Münzfunden des Jahres 2021. Die E-Book-Version umfasst wie stets neben mehreren ergänzenden Beiträgen die teils umfangreichen Langversionen der archäologischen und bauhistorischen Berichte. Außerdem liegt nunmehr ein Gesamtregister der Bände 1 bis 60 mit der Auflistung aller Beiträge sowie einem kompletten Ortsverzeichnis vor.

Ausgabe: 978-3-7001-9660-0, Zeitschriftenausgabe, gebunden, 07.08.2024

Ausgabe: 978-3-7001-9661-7, E-Journal, digital, 07.08.2024

Auflage: 1. Auflage

Seitenzahl: 560 Seiten

Abbildungen: zahlr. Farb- und s/w-Abbildungen, Pläne, online zugänglicher Digitalteil mit 12889 Seiten

Sprache: Deutsch

DOI (Link zur Online Edition) https://doi.org/10.1553/FOE60-2021

Die Villen vom Wiener Cottage

Wenn Häuser Geschichten erzählen

Marie Theres-Arnbom

Ein historischer Rundgang durchs Cottage

Ein Villenviertel mit Grünflächen bietet ab 1872 dem Wiener Bürgertum ein attraktives neues Wohngebiet – das Währinger und Döblinger Cottage nach einer Idee Heinrich von Ferstels. Bald siedeln sich aufstrebende Familien aus Kunst, Kultur und Wissenschaft, später aus Industrie und Wirtschaft an: ein Rennstallbesitzer oder zwei führende Intellektuelle ihrer Zeit, die Schwestern Helene und Elise Richter. Der Tabakimporteur Kiazim Emin Bey, der Industrielle und Radrennfahrer Anton Montor, die Bildhauerin Hanna Gärtner, die Ärztinnen Melanie Adler und Marianne Stein leben hier ebenso wie Anna und Paul Salten. Und was erinnert noch an den Architekten Friedrich Schön? Wer ist der Schöpfer des Schlagers Sag beim Abschied leise Servus? Der Schatten des Nationalsozialismus legt sich ab 1938 auch über das idyllische Cottageviertel.
Dieser einzigartigen und vielfältigen Welt von Gestern widmet sich Marie-Theres Arnbom in ihrem neuen Buch, das so manch vergessener Familie ihre Geschichte zurückgibt.

ISBN-13: 978-3-99050-254-9

Erscheinungsdatum: 15.10.2024